Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II

Nennung von Namen vorgebracht wurden, mit einem gewissen Rechte ant­worten, daß er im Personalstand der Reichskanzlei keine Änderungen vor­genommen, sondern alle Personen, die unter seinem Vater gedient hätten, besonders die Sekretäre, übernommen hätte. Er mochte sich auf den Standpunkt stellen, daß Zasius bei ihm lediglich die Stelle eines Rates be­kleide und der Sekretär Lindegg34k), dessen die Mainzer Beschwerden übrigens keine Erwähnung tun, sein persönlicher Kabinettssekretär sei und mit der Reichskanzlei nichts zu schaffen habe. Die Verhandlungen am Reichstage des Jahres 1566 führten dann zu einem Einvernehmen mit dem Erzkanzler. Aus der neuen Kanzleiordnung, die dann am 20. April 1566 zu Augsburg von Maximilian auf Grund dieses Einvernehmens mit dem Erzkanzler erlassen wurde, läßt sich manches über die tatsächlichen Mißstände herauslesen 35). Die Ordnung Maximilians II. schließt sich ganz an die seines Vorgängers an. Neu aufgenommen wurden in den allgemeinen Artikeln mehrere Paragraphen, die sich in erster Linie gegen den auch vom Erzkanzler gerügten Mißbrauch richten, daß die Ausfertigung der Schriftstücke nicht in den Kanzleiräumen, sondern in Privatwohnungen erfolgt und sogar von Personen vorgenommen wird, die weder bei der Reichskanzlei angestellt noch beeidigt seien. Dieser Übelstand, den man als das Privatschreiberunwesen bezeichnen könnte, kehrt in den Klagen über die Mängel der Kanzlei im Laufe der Jahrhunderte immer wieder. Wegen der dadurch bedingten Gefahr mangelnder Verschwiegenheit stets bekämpft, konnte er anscheinend nie wirklich ausgerottet werden. Für den Forscher, der sich mit den Akten der Reichskanzlei zu befassen hat, ist diese Tatsache deshalb von Wichtig­keit, weil die Handschrift dieser Privatschreiber meist nicht identifiziert werden kann und so oft die Entstehungsgeschichte eines Schriftstückes nicht aufzuhellen ist. Für des Kaisers „lieben getreuen“ Marx Singkmoser bewilligte die neue Kanzleiordnung eigens eine Ausnahme, er durfte seine Arbeiten wie bisher außerhalb der Kanzlei machen. Von den sonstigen neuen Bestimmungen richtet sich eine gegen die Forderung von Ver­ehrungen und Bibalien neben den Taxgefällen, mehrere gegen den Unfleiß und die mangelnden Kenntnisse der Kanzleischreiber und zwei befassen sich mit den Aufgaben der Registratoren. Der eine dieser Artikel ist übrigens der einzige von den neuen, der die abgesonderte Be­handlung der erbländischen Sachen betont. Man hatte sich im übrigen mit der Wiederholung der alten Vorschriften in dieser heiklen Materie begnügt. Zufolge der neuen Ordnung gab es nun zwei Registratoren, ohne daß aber verfügt worden wäre, daß der eine nur die Reichssachen und der andere nur österreichische Sachen zu bear­beiten habe. Daß aber jetzt die innere Kanzleiorganisation eine Wand­lung im Sinne der schärferen Abgrenzung einer eigenen öster­reichischen Kanzleiabteilung erfuhr, darauf deutet wohl auch hin, daß der im Mai 1567 ernannte Sekretär W. Unverzagt als kaiserl. Hof- und der österreichischen Lande Sekretär bezeichnet wird und von ihm der Versuch gemacht wurde, bei den Standeserhöhungs­privilegien für erbländische Untertanen ein Recht auf ausschließliche Unter­34 k) Vgl. über ihn unten S. 364. 30) Drude bei Fellner-Kretschmayr I/2, 314 ff. 2* 19

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