Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)
I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II
fertigung durch den österreichischen Sekretär geltend zu machen 36). Begünstigt wurde eine solche Entwicklung auch durch die infolge der nach dem Tode Ferdinands I. vorgenommenen Länderteilung eingetretene Verringerung des Geschäftsbereiches der Kanzlei, die sich jetzt, soweit die Erbländer in Betracht kamen, nur mehr auf die Maximilian II. zugefallenen Länder Nieder- und Oberösterreich erstreckte. Hatte diese Tatsache auch einerseits die Verringerung der deutschen Sekretärstellen von j auf 3 zur Folge, so war doch andererseits auch die Möglichkeit einer nur auf die österreichischen Länder beschränkten Expedition größer. Die schärfere Abtrennung der österreichischen Akten wurde aber auch durch neue Klagen, die man von Mainzer Seite schon bald nach 1566 wieder über verschiedene Kanzleigebrechen erhob, beschleunigt. Wir kennen mehrere aus der Mainzer Kanzlei stammende Aufzeichnungen, auch eine des Taxators Ungelter, die bald nach der Ordnung von 1566, vermutlich 1568, verfaßt wurden und die Beschwerden im einzelnen anführten37). Sie zeigen, daß die Mißstände, denen die Kanzleiordnung von 1366 zu steuern suchte, fortdauerten. Nach wie vor amtiert man außerhalb der Kanzleiräume, sogar vom Vizekanzler heißt es, daß er die Kanzlei nicht besuche, fremden Personen wird in unvorsichtiger Weise der Zutritt in die Kanzleiräume gewährt, Reichs- und österreichische Akten werden nicht gesondert, sondern vermischt aufbewahrt, wie überhaupt in der Registratur große Unordnung und Nachlässigkeit herrscht, die Vorschriften über die Einlieferung der Ausfertigungen ins Taxamt werden nicht beachtet, indem die Sekretäre vielfach eigenmächtig Schriftstücke an die Parteien hinausgeben und die Taxen für sich einheben, einlangende Parteieingaben werden nicht den Sekretären, sondern sogleich den Referenten des Reichshofrats zugestellt, wodurch große Verzögerungen für die Parteien entstehen. Noch viele andere Mängel des Geschäftsganges werden aufgezählt. Schwere Klagen werden auch wegen der vielen Taxbefreiungen und der hohen außerordentlichen Ausgaben des Taxamtes erhoben. Besonders hervorzuheben ist jedoch die neuerliche Klage, daß Kanzleipersonen im Widerspruch zu den Rechten des Erzkanzlers „nach wolgefallen wie nach propria auctoritate, auch ohne einiche praesentation oder wenigsten vorwissen archicancellarii“ aufgenommen werden. Noch kein Jahrzehnt war seit der großen Ordnung von 1559 vergangen und schon erwies sich, daß die Einhaltung ihrer Bestimmungen weitgehend vom guten Willen des Kaisers abhing. Die Beschwerden des Kurfürsten führten ebenso wie 1565/66 wieder zur Herausgabe einer neuen Kanzleiordnung, die Maximilian II. am 12. November 1570 zu Speier erließ38). Sie war durchaus eine Wiederholung ihrer Vorgängerinnen, von den neu eingefügten Artikeln sind jene, die sich auf die österreichische Kanzleiabteilung beziehen, bei weitem am wichtigsten. Ausdrücklich wurde verfügt (§ 17), daß alle Ausfertigungen, die Lehen, Regalien, Privilegienbestätigungen und ähnliche Dinge in den Erblanden betreffen, ebenso wie 36) Vgl. das Promemoria i. R. K. Verf. A. 23, Nr. 45. — Über Unverzagt vgl. unten S. 372. 37) Mzer. R. K. i. 3S) Druck bei Fellner-Kretschmayr I/2, 357. 20