Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II

25. Mai 1565 erfolgten Tode Selds den Bayernherzog um sein Gutachten wegen eines neuen Vizekanzlers bat, da, wie er vertraulich hinzufügte, weder Zasius noch Weber für diese Stelle qualifiziert seien, und noch am 10. Juli gegenüber der Fürsprache Hzg. Albrechts für Zasius an seiner Ablehnung festhielt34 e). Wir besitzen aber auch ein positives Zeugnis dafür, daß die förmliche Ernennung Zasius’ zum Vizekanzler erst viel später, vermutlich im Zusammenhang mit dem Reichstag von 1566, er­folgte, denn eine im Erzkanzlerarchiv erhaltene, leider sehr beschädigte Aufzeichnung besagt, daß Zasius im Jahre 15 66 — das Monatsdatum ist leider weggerissen — in die Hände des Herrn von Harrach den Eid als Vizekanzler abgelegt hat34 f). Die Zeit einer Doppelbesetzung des Vizekanzlerpostens währt somit formell nur von 1566 bis 1570. Vorher bestand wohl eine Art provisorischer Zustand, der auch dadurch gekenn­zeichnet erscheint, daß Zasius zunächst nicht aus den Eingängen des Tax- amtes bezahlt wurde34®). Was die Stellung Webers betrifft, so werden wir uns daran erinnern müssen, daß er bereits 1559 zu Augsburg zu Selds Stellvertreter bestellt und vom Erzkanzler beeidigt wurde. Er konnte also bei Selds Rücktritt im Jahre 1563 in dessen Funktionen treten, ohne daß dadurch die Kanzleiordnung verletzt wurde. Es ist aber auch sehr wahr­scheinlich, daß der kaiserliche Hof die Zustimmung des Erzkanzlers zur Übernahme des Vizekanzlerpostens durch Weber einholte, denn wir be­sitzen ein Schreiben Selds über die Frage, wer sein Nachfolger werden soll, in dem er der Meinung Ausdruck gibt, daß man vor der Bestellung Webers dem Erzbischof von Mainz davon Anzeige machen müßte341*). Da Seid auf alle Reichssachen maßgebenden Einfluß übte, wird seine Auffassung wohl auch als die des Kaisers zu betrachten sein. Der Taxgegenschreiber be­zeichnet Weber übrigens auffallenderweise schon 156c als Vizekanzler341), so daß man vielleicht annehmen darf, daß dieser Titel auch dem Stell­vertreter des Vizekanzlers gegeben zu werden pflegte. Als Maximilian II. dann im Herbst 1564 Seid veranlaßte, wieder an den Hof zurückzukehren, scheint dieser eigentlich die Oberleitung der Kanzlei gehabt zu haben, während formell Weber Vizekanzler war und Zasius, der bereits vor der Thronbesteigung Maximilians diesem als Rat gedient hatte, zunächst ohne förmliche Berechtigung neben Weber in der Leitung der Kanzlei tätig war und ohne daß ihre Befugnisse und Kompetenzen abgegrenzt worden wären. Die Klagen des Erzkanzlers waren also, soweit sie sich gegen Zasius richteten, gewiß nicht unbegründet; wenn Baghen aber in seinem Berichte behauptete, der Kaiser hätte überhaupt nie außer seinerzeit für Selds und Hallers An­stellung um die Zustimmung des Erzkanzlers nachgesucht, so schoß er damit über das Ziel hinaus, wie schon der Fall Webers zeigt. Andererseits konnte aber auch der Kaiser auf diese Klagen des Erzkanzlers, die übrigens in dessen Schreiben vom 25. Februar 1565 nur sehr verschleiert und ohne 340) Bibi, Die Korrespondenz Maximilians II., I. Bd. (Veröff. d. Kom. f. neuere Gesdi. öst., 14), 168 u. 230. 31 f) Mzer. R. K. u. Taxamt 1 (Konvolut R. Hofkanzlei. 1566). 34g) Vgl. Seeliger a. a. O. 155, Anm. 2. 34 h) Briefe an Hzg. Albrecht v. Bayern v. 11. Juni 1563 bei Götz, Briefe u. Akten 5, 262. 34>) Taxgegenbuch 1560/62, fol. 186. 18

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