Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II

Rücksicht auf die in den Ausfertigungen zur Anwendung kommende Sprache, so daß auch deutsche Schriftstücke aus der lateinischen Expedition ausgingen. Infolge dieses Einteilungsprinzips fiel auch die diplomatische Korrespondenz mit kaiserlichen Gesandten außerhalb des Reiches der latei­nischen Expedition zu, der im besonderen auch noch die Erledigung aller die kirchlichen Benefizien und Pfründen sowie die Akademien und hohen Schulen betreffenden Schriftstücke, ohne Rücksicht auf deren geographische Lage, zugewiesen war. Wichtig war, daß anscheinend von Anfang an die Familienkorrespondenz und Hofsachen zum großen Teil in der lateinischen Expedition bearbeitet wurden23). Im übrigen war die Abgrenzung der Kompetenzen der beiden Expeditionen wiederholt Gegenstand von Streitig­keiten zwischen den Beamten der Kanzlei, in deren Verlauf gewisse Ver­schiebungen eintraten. Erscheint so die Gliederung der Reichskanzlei in die zwei Hauptsektionen der deutschen und lateinischen Expedition schon für 15 J9 gesichert, so ist es mir doch recht zweifelhaft, ob man auch im Hinblick auf die Trennung der Reichs- von den erbländischen Sachen die Reichskanzlei schon damals nach dem Wortlaut der Ordnung ein Institut mit zwei Hauptsektionen nennen kann 24), zumal die Stellung der öster­reichischen Sekretäre in der ersten Zeit recht ungeklärt war. Es ist doch immerhin auffallend, daß in der bereits erwähnten Liste des Kanzlei­personals die Sekretäre Peer und Rost, die hauptsächlich österreichische Sachen bearbeiteten 25), überhaupt nicht erscheinen. Der Kaiser betrachtete sie damals anscheinend noch ausschließlich als seine Hofsekretäre, wie er ja auch in den Verhandlungen mit dem Erzkanzler betonen ließ, daß seine österreichischen Sekretäre ganz abgesonderte „Expeditionen“ hätten und eigentlich nur aus Platzmangel in den Räumen der Reichskanzlei arbeiteten. Andererseits wurde dem Kaiser dann in der Kanzleiordnung die Ver­wendung der Reichssekretäre auch für erbländische Sachen zugestanden, wovon er auch, wie die Akten beweisen, Gebrauch machte. Leider ist der Erhaltungszustand der auf die Erblande bezüglichen Akten der Reichs­kanzlei aus der Regierungszeit Ferdinands I. ein so ungünstiger, daß man sich ein ganz klares Bild über die tatsächlichen Verhältnisse der Kanzlei nicht machen kann, doch hat eine scharfe Trennung zwischen erbländischen und Reichssachen wohl nur in der Registerführung bestanden. Die Sekre­täre hingegen, besonders Kobenzl und Singkmoser, arbeiteten nach Bedarf auf beiden Gebieten. Am ehesten könnte man noch von einer Art von Teilung der Sekretariatsgeschäfte nach Referaten, wie wir sie in der Kanzlei­ordnung Ferdinands I. von 1526 begegnen, bei den Sekretären Peer und Rost sprechen, von deren „Expeditionen“ im Sinne von Abteilungen wiederholt die Rede ist, wobei Peer vorzüglich die niederösterreichischen, Rost die oberösterreichischen Sachen (in der damaligen Bedeutung dieser Bezeichnungen) führte. Aber auch bei ihnen ist diese Einteilung nicht immer eingehalten worden. Daß sogar Schriftstücke, die sich mit unga­rischen Angelegenheiten befaßten, damals entgegen der in Augsburg ab­gegebenen Erklärung Ferdinands2e) durch die Reichskanzlei besorgt S3) Vgl. auch die Ausarbeitung des Sekr. Walderode in R. K. Verf. A. 53. 24) Kretschmayr i. Arch. őst. G., 84, 416. so) Vgl. über diese unten S. 361 f. I6) Vgl. oben S. 9. 15

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