Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

I. Die allgemeine Entwicklung der Reichskanzlei von 1559-1806 - 1. Die Neuorganisation der Reidiskanzlei im Jahre 1559 und ihre Entwicklung bis zum Tode Maximilians II

wurden, beweist zur Genüge die Tätigkeit Singkmosers27). Die Erklärung des Kaisers, wonach die Sachen Ungarns und Böhmens in eigenen Kanz­leien behandelt würden, hatte ja gewiß im großen und ganzen ihre Richtig­keit, soweit es sich um Gnaden- und Justizsachen handelte, aber bei poli­tischen Dingen, bei denen eben vielfach eine enge Verknüpfung mit der ganzen großen Politik des Kaisers bestand, war sie damals — und auch noch geraume Zeit nachher — durchaus unzutreffend. Es muß in diesem Zusammenhang auch noch darauf hingewiesen werden, daß wir zur Zeit Ferdinands I. und Maximilians II. sowohl in den Hofstaatsverzeichnissen wie in den Akten auch noch eigene spanische und burgundische Sekretäre begegnen, deren Verhältnis zur Reichskanzlei nicht ganz klar ist. Diese Beamten, die doch nur als kaiserliche Hofsekretäre betrachtet werden können, haben zweifellos auch Schriftstücke bearbeitet, die eigent­lich in die Reichskanzlei gehörten. So sehen wir den burgundischen Sekretär Hieronymus de Cock ein französisches Schreiben Kaiser Ferdinands I. vom 2. Mai ij6o in Sachen der Königin von Dänemark mit der Formel par ordonance de Sa. Mte. Imple, unterzeichnen 28). De Cock, der das Ver­trauen Maximilians II. besaß und mit diesem einen ausgedehnten Brief­wechsel unterhielt 29), hatte auch in der Person Gisprechts von der Stegen einen Gehilfen und sein Referat wird in einem Reichshofratsprotokoll des Jahres 1563 geradezu als burgundische Kanzlei bezeichnet30). Daß H. de Code eine umfassendere Tätigkeit entfaltete, beweist auch die Auffindung seiner Registratur nach seinem Tode, in der sich wichtige Schriften vor­fanden und die der Reichskanzlei einverleibt wurden S1). Sowohl de Cock wie von der Stegen empfingen wiederholt auch Zahlungen aus den Tax- gefällen32) und der letztere erscheint noch im Reichstaxbuch von 1578 unter dem Kanzleipersonal, jedoch ohne Amtstitel, angeführt. Die Tätig­keit des spanischen Sekretärs Fernando Mazuelo läßt sich noch 1570—1574 an Berichten aus Florenz verfolgen, die wiederholt den Vermerk „herr spanischer secretari“ oder „a Matzuelos“ tragen33). Diese Berichte des Protonotars Brezeno sind in spanischer Sprache verfaßt, doch wurden keineswegs alle Mazuelo zugewiesen, da wir auf einzelnen in den Rück­vermerken auch Händen der Reichskanzlei begegnen. Erst unter Rudolf II. scheint die Einrichtung eigener burgundischer und spanischer Sekretariate abgekommen zu sein. Alle die eben geschilderten Beobachtungen zeigen jedenfalls soviel, daß die Organisation der Reichskanzlei unter Ferdinand I. noch nicht jene deutliche Gliederung in eine Reichs- und eine österreichische Expedition auf wies und daß die Klagen, die alsbald nach Ferdinands Tod *'7) Vgl. über ihn S. 403 ff. Vgl. auch Fellner, Zur Gesch. d. österr. Zentralverwltg. i. Mitt. d. öst. Inst. f. Geschfg. 8, 293 f. u. 294, Anm. 2. 2S) Lothring. Arch. III, 387. 29) Vgl. Famil. Korr. A, Kart. 2. 30) R. H. R. Resol. Prot. saec. XVI, Nr. 22, pag. 96, heißt es vom Ansuchen einer gewissen Sibenburgerin wegen ihres Hauses in Brabant „uff die burgundisch canzlei“. 31) Über die Auffindung dieser Schriften durch G. von der Stegen im Hause des Wiener Bürgers Benedikt Pappler i. J. 1384, wo de Code gewohnt hatte, ihre Ordnung und Sichtung durch Westernacher und Prossonag, vgl. Fam. Akt. 35. 32) Vgl. Ungelters Amtsrechnung 1563, fol. 116 und 1565, fol. 120. 33) Vgl. die Berichte Brezenos v. 1570 Jan. 21, 1572 Juni 28 und Dez. 20, ferner den Brief Rosettis v. 1574 Mai 4, in Hetrusca 1. 16

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