Lothar Groß: Inventare Teil 5. Band 1. Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559-1806 (1933)

Einleitung

ebenso wie das Privileg Heinrichs VII. vom 28. Oktober 1308, in dem dem Erzkanzler auch noch das Recht der Absetzung des Hofkanzlers sowie des Protonotars und der Notare zugestanden wurde 3), für die folgenden Jahr­hunderte die Rechtsgrundlage für die nimmer ruhenden Ansprüche der Kurfürsten von Mainz auf die Beherrschung der Reichskanzlei. Dem Rück­schlag unter Karl IV., in dessen goldener Bulle vom Ernennungsrecht des Erzkanzlers keine Rede ist, sondern nur die Ehrendienste desselben genau festgelegt werden, und den erfolglosen Versuchen, unter König Ruprecht wieder Einfluß auf die Kanzlei zu gewinnen, folgt unter Friedrich III. ein schrittweises Vordringen der Mainzer Ansprüche, ohne daß es jedoch ge­lungen wäre, den Kaiser zu einer Anerkennung derselben zu bringen 4). Unter Maximilian I. wurde dann das lang erstrebte Ziel erreicht, nachdem dieser schon bei seiner Königswahl im Privileg vom 2. Mai i486 dem Erz­kanzler das Recht eingeräumt hatte, für den Fall persönlicher Anwesenheit am Hofe alle Rechte eines Kanzleichefs auszuüben. 1494 kam Berthold von Mainz dann tatsächlich an den Hof Maximilians und leitete die Kanzlei bis 1502. Er verstand es, die Kanzlei immer mehr zu einem Organ des Reiches zu machen, das ihm und nicht dem Kaiser zu folgen habe und ließ sich in der Regimentsordnung von 1500 auch die Ernennung der Kanzleibeamten zusichern. Es war ein erster Triumph der Mainzer Bestrebungen. Nun hat Maximilian allerdings bald einen Gegenzug getan. Er zog seine für die Erledigung der erbländischen Angelegenheiten bestellte, also österreichische, Hofkanzlei auch für die Korrespondenz mit den Reichsständen heran und scheute sich auf diese Art nicht, in die Rechte der Reichskanzlei ein­zugreifen. Es entstand eine Lage, wie sie hundert Jahre später unter ganz veränderten Verhältnissen wiederkehren sollte5). Als der Kaiser dann 1502 das Reichsregiment wieder zu beseitigen vermochte, hatte auch die Macht­stellung des Erzkanzlers in der Reichskanzlei wieder ein Ende und in den fol­genden Jahren gab es nur eine kaiserliche Hofkanzlei, die die Reichsangelegen­heiten und die erbländischen Geschäfte besorgte. So war zwar durch die Än­derung in den Machtverhältnissen der Einfluß des Kurfürsten von Mainz auf die Kanzlei wieder beseitigt worden, aber seine Rechte blieben aufrecht und Maximilian selbst bestätigte dem neuen Erzbischof Albrecht im Jahre 1516 das Recht der persönlichen Kanzleileitung in aller Form 6). Als nach dem Tode Maximilians I. der Kampf zwischen Karl von Spanien und Franz I. von Frankreich um die deutsche Krone den Kurfürsten besonders günstige Aus­sichten für die Erfüllung ihrer Forderungen bot, da zögerte auch Albrecht von Mainz nicht, einen entscheidenden Schritt zur Festigung der so lange an­gestrebten Herrschaft über die Kanzlei zu unternehmen. Er verstand es, den mit den deutschen Verhältnissen nicht vertrauten Karl davon zu über­zeugen, daß er seit alters her das Recht zur persönlichen Verwaltung der Kanzlei habe und da er selbst nicht immer in der Lage sei, sie auch per­sönlich zu führen, sich einen Stellvertreter als Reichsvizekanzler zu er­nennen. Am 12. März 1519 bestätigte Karl von Spanien diese Rechte7). 3) Mon. Germ. Const. 4, 224. 4) Ich verweise für das Folgende auf die oben zitierten Autoren. 5) Vgl. unten S. 39 ff. 6) Vgl. Seeliger a. a. O. 88, Anm. 1. 7) Gudenus Codex dipl. anecdotor. res Mogunt. illustr. 4, 609. 2

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