Historische Blätter 7. (1937)

Jakob Seidl: Das Lothringische Hausarchiv als Geschichtsquelle

Leopold, dac de Lorraine et de Bar, 1894 und d’Haussonville: Histoire de la reunion de la Lorraine ä la France, 4 Bde., 1854—1859, haben das L. H. A. benützt. Nunmehr in einer Zeit, in der Lothringen nicht mehr zum Deutschen Reiche gehört, dessen Geschichte aber vom Wissenschaftlichen Institut der Elsaß-Lothringer im Reiche an der Universität Frankfurt a. M. gepflegt und erforscht wird 2, ist für die Bestrebungen dieses Institutes durch die Neuordnung des L. H. A. wertvolle Vorarbeit geleistet worden. Nachdem im Jahre 1765 das L. H. A. dem Haus-, Hof- und Staats­archiv übergeben und um das Jahr 1820 die noch ungeordneten Teile desselben durch die Archivare Knechtl und Rosner geordnet und reper- torisiert worden waren, blieb der Ordnungszustand dieses Archivs im wesentlichen bis zum Jahre 1923 unverändert. In diesem Jahre wurden, wenn auch die Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain das L. H. A. nicht betrafen, einem von der französischen Regierung geäußerten Wunsch entgegenkommend und in Anerkennung des archivalischen Her­kunftsgrundsatzes (Provenienzprinzips), alle die Verwaltung Lothringens betreifenden Archivalien ausgeschieden und nach Frankreich entlehnt. Im Jahre 1925 erfolgte mit Zustimmung der Reparationskommission die end­gültige Abtretung dieser Bestände an Frankreich, die sich heute im De- partementalarchiv zu Nancy befinden, über deren Inhalt aber die in Wien verbliebenen, von H. Thierry angelegten Repertorien, die weiter unten, S. 36, noch erwähnt werden, Auskunft geben. Der in Wien verbliebene Rest des L. H. A. umfaßt außer rund 440 Pergamenturkunden noch 226 Aktenschachteln 3. Es umfaßt den Zeitraum von 1206 bis zum Ende des 18. Jahr­hunderts, da auch noch Akten und Urkunden, die nach 1736, in welchem Jahre Franz Stephan von Lothringen, der spätere Kaiser Franz I., sein Stammland verlassen mußte, erwachsen sind, in diesem Archiv hinter­legt wurden. Daß ein fast 6 Jahrhunderte umfassendes Archiv eines Regenten­hauses eine Geschichtsquelle hervorragendster Bedeutung darstellt, wenn es sich noch dazu um eine Familie handelt, die mit vielen regierenden Häusern Europas in verwandtschaftliche Beziehungen trat, bedarf keiner ♦ 2 P. Wentzcke: Elsaß und Lothringen im Rheinischen Raum (Elsaß-Lothringischea Jahrbuch, XV. Bd., 1936). 3 Zu vergleichen der von J. Seidl verfaßte Abschnitt „Lothringisches Hausarchiv“ im 2. Bande des „Gesamtinventars des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv“, der noch im Laufe dieses Jahres erscheinen wird. Dortselbst ist auch die wichtigste Literatur über das L. H. A. verzeichnet. 34

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