Historische Blätter 7. (1937)
Jakob Seidl: Das Lothringische Hausarchiv als Geschichtsquelle
weitläufigen Begründung, da ein solches Archiv außer den Heiratsverträgen, Testamenten und ähnlichem auch eine fast ganz Europa umfassende Korrespondenz und ferner Schriftstücke enthält, die über den Familienbesitz im weitesten Sinne Nachrichten bieten. Die Urkunden des L. H. A., die als eine eigene Abteilung in der Urkundensammlung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs aufgestellt sind, sind für die Diplomatik und die Paläographie nicht ohne Interesse. Handelt es sich doch zum Teil um Urkunden, die in einer Gegend entstanden sind, in welcher deutsche und französische Rechtsverhältnisse aneinanderstießen und Schreiber der beiden Völker tätig waren. Neben den eigentlichen Familienurkunden sind auch Urkunden der französischen und spanischen Könige, einige Papsturkunden, wenige Kaiserurkunden, und zwar erst vom 16. Jahrhundert an, Bischofs- und Offizialatsurkunden und Notariatsinstrumente vertreten. Provenienzmäßig gehören diese Urkunden dem Archiv des lothringischen Herzoghauses und seiner Nebenlinien und dem der Grafen und Herzoge von Bar an. Inhaltlich sind es meist Heiratsverträge, die oft im engsten Zusammenhang mit der auswärtigen Politik Lothringens stehen, Testamente, Verträge über Erbteilungen oder Sicherstellungen von Mitgiften und Witwenrenten, Empfangsbestätigungen, Belehnungsurkunden, Ehe- und andere Dispensen und Verleihungsdekrete über verschiedene Würden und Ämter. Sie kommen daher hauptsächlich als Quelle für die Personengeschichte der Häuser Lothringen und Bar und der mit diesen in Beziehungen getretenen Familien, für die Geschichte des Besitzes derselben und dergleichen Fragen in Betracht4. Viel wichtiger und der Zahl nach umfangreicher sind die Aktenbestände des L. H. A. Leider hat das Schicksal denselben so übel mitgespielt, daß sie eigentlich nicht mehr als ein Archiv bezeichnet werden können, sondern als eine Sammlung von aus verschiedenen lothringischen Kanzleien stammenden Aktenstücken angesehen werden müssen. Als Franz Stephan das Herzogtum Lothringen verlassen mußte, hat er auf Grund des Artikels 16 des am 28. August 1736 zwischen Karl VI. und Ludwig XV. abgeschlossenen Wiener Vertrages alle das Herzoghaus betreffenden, aber auch noch andere Dokumente aus den lothringischen Kanzleien zu Luneville und Nancy entnehmen und nach Brüssel bringen lassen. Ob aber hierbei alle das Herzogshaus betreffenden Bestände von den Beauftragten Franz Stephans erfaßt worden sind, muß bezweifelt * Zu vergleichen der von P. Kletler verfaßte Abschnitt: „Die Urkunden des Lothringischen Archives“ im 3. Band des oben erwähnten Gesamtinventars, der gleichfalls noch in diesem Jahr erscheinen wird. 35