Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

U W o> „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys. Von Ferdinand Bilger. Der siegreiche Feldherr, der nur an den unaufhaltsamen Erfolg seiner Waffen denkt, der Staatsmann, der weiterblickend um die Be­dingungen des Friedens mit dem Soldaten zu ringen hat: sie gehören in das normale Bild unserer Vorstellungen von Waffenstillstands- und Friedensverhandlung. Genau in diesem Sinne hat noch Richard Char- matz in seiner Biographie des Ministers Bruck, unter Verzicht auf eine nähere Befragung der Dokumente, über die Epoche nach der Schlacht von Novara geschrieben: „Radetzky errang in wenigen Tagen den ent­scheidenden Sieg, die österreichische Armee wäre gern nach Turin mar­schiert, um in der Hauptstadt Piemonts den Frieden zu diktieren. Aber Rücksichten, die auf Frankreich und England genommen werden mußten, geboten Einhalt. Es war keine leichte Aufgabe, in diesem Sinne im Lager Radetzkys zu wirken L“ Wer die Akten der Wiener Archive durchsucht, findet von dem ersten Schritte des Waffenstillstandes von Vignale bis zu den letzten Stunden vor dem Friedensschlüsse des 6. August 1849 nahezu das völlige Gegenteil: immer wieder den Feldmarschall als den Zurück­haltenden, den Ministerpräsidenten Felix Schwarzenberg als den Vor­wärtstreibenden, überall den österreichischen Unterhändler Bruck, wo es Vermitteln und Verhandeln gilt, auf das stärkste von Radetzky ge­stützt. Von dem Augenblick ab, wo der Feldherr die Abdankung Karl Alberts erfährt — „dem wir wegen der gänzlichen Unzuverlässigkeit des Charakters die Bedingungen so hoch gestellt hatten 1 2“ — ist sein ganzes Bestreben, Viktor Emanuel zu gewinnen, ihm seine Stellung 1 Charmatz, Bruck, S. 40. Den Direktionen des Haus-, Hof- und Staats- archives sowie des Kriegsarchives in Wien habe ich für vielfache Förderung dieser Untersuchung zu danken, besonders Herrn Staatsarchivar Dr. Antonius. 2 Bericht Radetzkys an Schwarzenberg Nr. 714/op vom 26. März 1849 Wien, Kriegsarchiv. Es soll übrigens nicht übersehen werden, daß Minister Schwarzenberg, der Politiker der „Niederwerfungsstrategie“ selbst General war. l* 3

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