Historische Blätter 4. (1931)
Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys
beim Thronantritt zu erleichtern, damit er „der demokratischen Umsturzpartei seinerseits Meister werden“ könne. „Ohne das Vertrauen des neuen Königs und die Wahrung seiner Würde vermag uns kein Zustand in Piemont irgendeine Garantie der Ruhe des Landes für die nächste Zukunft zu geben3.“ Ausdrücklich sagt er, daß er zugleich aus militärischen Gründen auf den Marsch auf Turin verzichtet habe, ihm „der Besitz von Turin, besonders anfangs, eine Last gewesen wäre“. Er zieht das Sachliche dem „Ruhmvolleren“ vor, er beantragt sofort, dem erschöpften Gegner jede Kriegsentschädigung zu erlassen, keine Gebietsabtretung zu begehren, und Piemont, „die ganze Schuld der Vergangenheit auf Karl Albert werfend, mit Großmut zu behandeln4“. Ganz anders Schwarzenberg. Sofort auf die Nachricht von Novara spricht er vom weiteren Vormarsch, von der unbedingten Durchsetzung einer genügenden Kriegsentschädigung 5. Radetzkys Waffenstillstandsbedingungen quittiert er mit dem Satze: „Wollen wir hoffen, daß die Gesinnungen des sardinischen Hofes... uns keinen Anlaß geben werden, unsere Nachgiebigkeit zu bereuen6.“ Nicht ohne Erregung repliziert der Feldmarschall, daß es „oft sehr schwer sei, sich in die Lage desjenigen zu versetzen, der unter schwierigen Verhältnissen handeln muß“. Den Marsch nach Turin bezeichnet er als eine Tollköpfigkeit. Er habe „nicht die verhaltene Kriegslust und Ruhmsucht Frankreichs auf sein zerfleischtes Vaterland lenken“ wollen, nur „um sich an den Früchten seines Sieges zu weiden“. „Staatsmännische Ansichten“ hätten ihn bei Abschluß des Waffenstillstandes geleitet7. Er ist bereit, selbst auf die Okkupation von Alessandria gegen die Besetzung Valenzas zu 3 Hier zugleich wohl auch eine grundsätzliche Auffassung Radetzkys, die bei ihm aus dem Erlebnis des deutschen Befreiungskrieges geboren ist. Vgl. dazu die Denkschrift von 1832 „Über eine Operation der verbündeten Heere gegen Frankreich“, Denkschriften mil.-pol. Inhalts aus dem Nachlaß des Grafen Radetzky, S. 513: „Mit dem Fall von Paris hat die Ordnung der Dinge und mit dieser der Krieg ein Ende, welcher rasch und energisch geführt, den Feind in Athem erhält und das Land nicht bis zu gänzlicher Erschöpfung und somit zur Verzweiflung treibt, was... von uns ein großer politischer Fehler seyn würde...“ 4 Siehe oben Anm. 2. 5 Schreiben Schwarzenbergs an Radetzky vom 27. und 28. März 1849, Wien, Kriegsarchiv. 0 Schreiben Schwarzenbergs an Radetzky vom 31. März 1849, Wien, Kriegsarchiv. 7 Radetzky an Schwarzenberg, Nr. 857/op vom 7. April 1849, Konzept, Wien, Kriegsarchiv. 4