Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

nächsten Tage, das mit einem Schlage die deutschen Dinge grund­stürzend wandelt: die Oktroyierung der österreichischen Einheitsver­fassung vom 4. März79. Unter unbeschreiblicher Aufregung80 des Hauses stellt der Abgeordnete Welcker, bisher einer der festen Anhänger Österreichs, in der Nationalversammlung den Antrag, die erbliche deutsche Kaiserwürde an den König von Preußen zu übertragen 81. Dann folgt der Gegenschlag Schwarzenbergs, auch hier wieder in dem infor­mierten Vorbericht82 der Zeitungen schärfer und deutlicher als in der Note selbst83: der Plan eines neuen Staatenbundes von 70 Millionen, in dem die ganze österreichische Monarchie mit Deutschland vereinigt würde unter einem Direktorium von sieben regierenden Fürsten, mit Österreich an der Spitze, aber ohne Volkshaus. „Es bleibt nichts übrig“, berichtet die Allgemeine Zeitung am 18. März aus Frankfurt, „als das Verfassungswerk ohne Rücksicht auf Österreich zu vollenden84.“ Im gleichen Sinne die Erklärung Gagerns am Tage vorher 85. Am 21. März geht die Nachricht durch die Blätter, daß die Linke der Nationalver­sammlung jedes Eingehen darauf abweise, daß auf Basis der österreichi­schen Note Abänderungen in dem Verfassungswerk angebracht werden 8C. Das ist die Entwicklung und die Lage in der deutschen Frage, wie sie am 26. März 1849 im Hauptquartiere Radetzkys zu Novara bekannt sein mußte, als der Motivenbericht über den Waffenstillstand von Vignale an den Ministerpräsidenten nach Olmütz 87 übersandt wurde. Das per- 70 70 Die preußische oktroyierte Verfassung vom 5. Dezember 1848, damals veröffentlicht auch in der Augsb. Alig. Zeitg. vom 8. Dezember 1848, Beilage, hatte in dem Artikel 111 ein wichtiges Korrektiv: „Sollten durch die für Deutsch­land festzustellende Verfassung Abänderungen des gegenwärtigen Verfassungs­gesetzes nötig werden, so wird der König dieselben anordnen und... den Kammern vorlegen .. 80 Augsb. Alig. Zeitg. vom 15. März 1849. 81 Augsb. Alig. Zeitg. vom 14. März 1849. 82 Augsb. Alig. Zeitg. vom 15. März 1849. 83 Note Schwarzenbergs vom 9. März 1849 in Augsb. Alig. Zeitg. vom 16. März 1849. S4 Vgl. Augsb. Alig. Zeitg. vom 17. März 1849: „Die österreichischen Vorschläge für die Mehrheit des Frankfurter Parlaments unannehmbar.“ 85 Augsb. Alig. Zeitg. vom 19. März 1849 über die Erklärung Gagerns vom 17. März, daß Österreich weder ein Interesse noch ein Recht habe, die Bildung eines engeren Bundes, in welchen es nicht eintrete, zu hindern. 89 Augsb. Alig. Zeitg. vom 21. März 1849 über die Verhandlung des An­trages Welcker. S7 Schwarzenberg war am 28. März noch in Olmütz, am 31. März bereits in Wien. (Datierungen nach den Akten im Kriegsarchiv.) 22

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