Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

leons den tätigsten und erfolgreichsten Anteil genommen. Der über­wiegende Teil seiner Denkschriften und Pläne gehört den Operationen in Frankreich. Eine gewisse, auf ganz Deutschland gerichtete Gesinnung wurzelt bei ihm in dem tiefen Erlebnis des Befreiungskrieges. Die Denk­schrift von 1828 gibt davon Zeugnis. „Es hat seine Richtigkeit“, so sagt er dort, „daß durch den Mißbrauch, welchen Frankreich von seiner Stärke machte, zuerst in Deutschland eine allgemeine Eintracht entstand, von welcher sich in der früheren deutschen Geschichte kein Beispiel findet, und daß diese Eintracht unvermindert, ja vielmehr verstärkt und erweitert sich in den deutschen Gauen gegen Frankreichs Zwecke und Absichten erhebend ein allgemeines Band der Brüderlichkeit und des Vertrauens wurde“ 43. In seiner militärischen Untersuchung möglicher Kriegsfälle hatte er an diese Feststellung schon damals sogleich die Frage geschlossen: „Wird aber diese Eintracht immer bestehen?“ Die Antwort war 1828 rein akademisch dahin gegangen, daß Österreich zwar mit seinen deutschen Ländern im deutschen Bund ein Bestandteil Deutschlands ge­blieben sei, ein Angriff aus Deutschland somit die Trennung des deutschen Bundes voraussetze: „Diese Trennung kann jedoch als möglich gedacht werden.“ Denn — so hatte es in der Denkschrift geheißen — „Öster­reichs und Preußens Staatsleben ist vom Bund unabhängig. Österreich und Preußen sind nicht, wie alle übrigen Bundesglieder, mit ihrem ganzen Länder komplex, sondern bloß mit ihren deutschen Provinzen, mithin nur mit einzelnen Gliedern ihres Staatskörpers dem Bund beige­treten. Diese Glieder sollen im Bund wollen, was der Bund will, und außerhalb des Bundes, was der Körper will, von welchem sie Glieder sind. Hieraus können und werden Conflikte entstehen ... 44“. Wir werden sogleich sehen, wie diese Theorie der Möglichkeit einer Tren­nung von Deutschland im Herbste von 1848 in Radetzky eine ungeahnte Bedeutung erlangte. Es war unmittelbar nach der ersten Abstimmung über die Para­graphen 2 und 3 der Reichsverfassung in Frankfurt, daß eine Gruppe österreichischer Abgeordneter, die schon damals als „schwarzgelbe“ be­zeichnet wurden 45, eine Erklärung an ihre Wähler richtete, in der sie ihre 43 A. a. O. S. 429 („Betrachtung über die mit. Lage Österreichs“). 44 A. a. O. S. 429 und 430. Vgl. zu dem Gedanken der Möglichkeit einer Trennung die Auffassung Metternichs bei Srbik, Metternich II. 383 („im Notfall“). 45 Augsb. Alig. Zeitg. vom 6. November 1848. Brief aus Frankfurt mit Chiffre E. (Dr. Egger), eine Abwehr, daß man von „einer Wühlerei der Schwarz­gelben“ spreche. Vgl. unten Anm. 50. 14

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