Historische Blätter 4. (1931)

Ferdinand Bilger: „Großdeutsche“ Politik im Lager Radetzkys

Haltung in dieser entscheidungsvollen Stunde rechtfertigte. „Kein Teil des deutschen Reiches darf mit nichtdeutschen Ländern zu Einem Staate vereinigt sein. Hat ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt, so ist das Verhältnis zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen“; so hatten die beiden Artikel gelautet, wie sie in der Formulierung des Verfassungs­ausschusses unter der Zustimmung einer nicht geringen Zahl österreichi­scher Abgeordneter 46, von der überwiegenden Mehrheit des Parlamentes beschlossen waren. Die „schwarzgelben“ Opponenten, 35 an der Zahl, Persönlichkeiten wie Czörnig und Mühlfeld unter ihnen, wiesen in ihrem Sendbriefe an die Wähler mit Recht darauf hin, daß diese Beschlüsse in ihrer wirklichen Durchführung, wenn Österreich sie annehmen müßte, nicht mehr und nicht weniger bedeuten würden, als die Auflösung des Kaiserstaates. Umkleidet von den allgemeinen politischen Paradigmen des Revolutionsjahres, war in dem Manifeste die Unmöglichkeit einer solchen „Theilung Österreich’s“ scharf herausgearbeitet, wenn auch der eigentliche politisch klare Gedanke, welcher Mühlfeld in seinem Zusatz- antrage auf Schaffung „des innigsten Anschlusses Oesterreichs an Deutschland im Wege des völkerrechtlichen Bündnisses“ geleitet und damit die Brücke zu Heinrich von Gagem hinüber geschlagen hatte, be­zeichnenderweise fehlte. Denn Mühlfeld selbst hatte für diesen, in Wahr­heit die Zukunft tragenden Antrag nur die Zustimmung von 11 Öster­reichern gefunden 47. Die Mehrheit dieser „Schwarzgelben“ wünschte das Verbleiben Gesamtösterreichs auch in dem neuzuschaffenden Staats­gebilde und damit die Gestaltung seiner Verfassung ohne ein „engeres und weiteres Deutschland“.^!In diesem Sinne gipfelte ihr Manifest an die Wähler in dem Satze: ^Deutschlands Zukunft beruht auf Öster­reich 48“^> 48 Für den ersten Satz (§ 2) stimmten 42 Österreicher, davon 9 mit einer nachfolgenden einschränkenden Erklärung (Sten. Bér. IV. 2923), für den zweiten Satz 29 Österreicher des Zentrums und der Linken (Sten. Bér. IV. 2933). Auch von diesen 29 ergingen Kundgebungen an ihre Wähler in zwei, von denselben Personen Unterzeichneten Sendbriefen, der eine mehr volkstümlich, der andere mehr sachlich-politisch gehalten. Siehe darüber Augsb. Alig. Zeitg. vom 21. No­vember 1848 (M Frankfurt, 17. November, wo zugleich gegen die Wiener „Presse“ und die 35 Schwarzgelben polemisiert wird). Vgl. „Presse“ Wien Nr. 107 vom 8. November 1848. 47 Sten. Bér. IV. 2923. 48 Wortlaut in Augsb. Alig. Zeitg. vom 5. November 1848, datiert Frankfurt a. M., den 1. November 1848. 15

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