Historische Blaetter 2. (1921)
G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft
wieder namentlich von Gierke) auch dem berechtigten Kern des Naturrechts erwiesen worden ist. Gierke, der allen Ergänzungen, die vom heutigen Standpunkt unserer Erkenntnis gegenüber den ursprünglichen Anschauungen der historischen Rechtsschule geltend zu machen sind, Rechnung getragen hat, „hält doch an dem Geist der ursprünglichen historischen Schule fest“, „spricht und denkt doch noch ganz, wie es zur Jugendblütezeit der historischen Schüle“ geschah1. Die wirkliche Sünde der historischen Schule beginnt vielmehr da, wo sie ihrem eigenen Prinzip untreu wurde.“ Hier der Fehler Savignys, insbesondere in seiner späteren Zeit. S. 13: „Die Germanisten dachten anders. Sie dachten geschichtlicher. Was sie bekämpften, das war die verderbliche Folge der Sünde wider den geschichtlichen Geist, in die sich die historische Schule (insbesondere die Gruppe Savignys) immer fester verstrickt hatte.“ S. 15: „Es entging Savigny, wieviel an germanischen Rechtsgedanken in naturrechtlicher Verkleidung erneuert war und wieviel an befruchtender Kraft gerade hieraus den naturrechtlichen Ideen zuströmte. So entartete die Abkehr vom Naturrecht zur Feindseligkeit gegen das wiedergeborene nationale Recht.“" S. 19: „Die Quelle der Stärke der Germanisten war der nationale Gedanke. Von vornherein faßten sie den Kampf für das deutsche Recht als einen Teü des Ringens der Nation um volle Wiedergewinnung ihres Selbst auf. Die Nationalität drückt sich besonders kräftig im Recht aus.“ S. 22: „Gegenüber dem einseitigen Historismus huldigten die Germanisten einer wesentlich praktischen Richtung. Sie erstrebten die genauere Erforschung der Vergangenheit des deutschen Rechts; aber sie betrachteten ihre geschichtlichen Untersuchungen vor allem als das Mittel, um das deutsche Recht der Gegenwart fester und tiefer zu begründen.“ S. 27: Die zukunftsreiche Richtung „zielte weniger auf die Erhaltung der alten Formen als auf die Verjüngung der vaterländischen Rechtsgedanken ab, konnte aber gerade deshalb den Kampf gegen den übergreifenden Romanismus nicht einstellen“. S. 35: „Wir wollen an der großen Errungenschaft der historischen Sehlde festhalten. Wir wollen niemals jene deutsche Geistestat verleugnen, der unsere Jurisprudenz ihre innere Kraft und ihre weltweise Wirksamkeit verdankt.“ 1 E. Landsberg, Gesch. der deutschen Rechtswissenschaft, III, 2, S. 916. — Über die Begrenzung, die Savigny seiner Theorie über die Gesetzgebung später selbst gegeben hat (ohne in Widerspruch mit dem eigentlichen Sinn seines eigenen historischen Denkens zu treten), s. Rothacker, S. 100, A. 1. — R. v. Ihering habe ich in meiner Schrift „Soziologie als Lehrfach“, S. 11 f., als einen Forscher angeführt, der Gedanken des 18. Jahrhunderts mit verhältnismäßig berechtigter Reaktion gegen Savignys Auffassung geltend macht. Hiezu schreibt mir ein ausgezeichneter Kenner der Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts: Tönnies „Gemeinschaft“ hat — obwohl seine ganze Auffassung natürlich viel „profaner“ ist als die der weit „frommeren“ romantischen „Soziologen“ und trotz unverkennbarer westlicher Motive •—• doch die spezifisch deutsche Färbung. In späteren soziologischen Arbeiten, bei Simmel, Barth, von Gumplowicz zu schweigen, spürt man das weit weniger. Wohl aber z. B. bei Ihering stark! Nicht einmal den „Zweck im Recht“ möchte ich, trotz des reichlichen Einschlags von Utilitarismus und Bent- hamismus dort, nur als „Erneuerung des Naturrechts“ auffassen. (Vgl. Tönnies, „Gemeinschaft und Gesellschaft“, 2. Aufl., S. XIV.) Das stimmt weit eher auf Stammler und überhaupt die Neukantianer. Bei Ihering ist das ganze Verhältnis zu Sprache und Sitte anders (natürlich sind auch manche englischen Anthropologen z. B. von romantischen Anschauungen beeinflußt). Die Auseinandersetzung Iherings mit Savigny z. B. im „Kampf ums Recht“ bedeutet noch keineswegs auch nur einen Schritt zum Naturrecht zurück (eher zu einem gewissen Pragmatismus, wie Sie „Soziologie als Lehrfach“, S. 12, die Sachen sehen) und besagt nur,