Historische Blaetter 2. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

durch die Papyrologie ... Die neuere Germanistik hat der Papyrologie den Weg gewiesen, wie man Rechtsgeschichte soziologisch mit Erfolg betreibt und zur Darstellung bringt. Es darf zum Beispiel Hübners „Grundzüge des deutschen Privatrechts“ als das zukunftsreiche Mu­ster eines soziologischen Lehrbuchs der Rechtsgeschichte bezeichnet werden.“ Man darf beinahe sagen, daß, je weniger soziologischer Lärm in einer Disziplin gemacht wird, desto stärker ihre soziologische Lei­stung ist, wie denn von der im engern Sinn sogenannten Geschichts­wissenschaft — was zum Beispiel Hübner gern bezeugen wird — bei höchst sparsamem Gebrauch des Wortes Soziologie den soziologischen Gesichtspunkten vollauf Rechnung getragen wird1, während umgekehrt die Rechtsdogmatik bei viel soziologischem Lärm wenig soziologische Durcharbeitung aufweist (Wüstendörfer S. 417). Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß die deutschen Rechts­historiker, so auch Hübner, von jeder soziologischen Übertreibung auf Kosten des guten Rechts der Rechtsgedanken sich fernhalten. Es wäre lohnende Arbeit, die Leistungen der älteren Forschung für die Klärung soziologischer Probleme an einzelnen Beispielen zu schil­dern. So hat die Vergangenheit sich schon aufs ausgiebigste mit der „Soziologie des Mehrheitsprinzips“ beschäftigt, und es muß auf die neuesten „Soziologen“, die für die „Wissenschaft der Soziologie“ eine ganz neue Stellung in Anspruch nehmen, ernüchternd wirken, wenn sie lesen, daß jüngst ein Beurteiler2 die Leistung der „modernen Staatslehre und Soziologie“ darauf beschränkt, daß sie an diesen Dingen „nicht vorbeigegangen“ ist, wobei noch weiter ernüchternd die Erwägung wirken wird, daß deren Vertreter zum überwiegenden Teil Vertreter der alten Disziplinen sind und daß die Hauptarbeit der der alten und der neuen Zeit gleichmäßig angehörende Rechtshistoriker 0. v. Gierke vollbracht hat. „Eine Reihe von Äußerungen heutiger R.echtstheoretiker über Soziologie und Rechtsphilosophie“ — bemerkt Rothacker3 — „gibt dem Leser den verblüffenden Ein­1 Viel Lehrreiches und Erfreuliches ließe sich noch von andern Disziplinen der Kulturwissenschaften zur Bestätigung meiner Bemerkung, daß die eigentliche soziologische Arbeit brauchbarer Art von den Sonderwissenschaften geleistet wird, sagen, auch zur Erläuterung der Tatsache, daß der, der „allgemeiner“ Soziolog sein wollte, sich nicht bloß mit Staat und Wirtschaft beschäftigen dürfte. Aus dem kleinen Aufsatz von H. Ammann, „Der Begriff des Gesetzes in der Sprachwissen­schaft“, Ilbergs Jahrbücher 1920, Bd. 45, zum Beispiel kann man mehr soziolo­gische Erkenntnis gewinnen als aus Sckäfiles „Bau und Leben“. 2 R. Thoma, Deutsche Literaturzeitung 1919, Nr. 40, Sp. 763. 8 Einleitung in die Geisteswissenschaften, S. 193. Auch Gedanken der modernen „Freirechtslehre“ haben Analogien bei Savigny. Vgl. Rothacker S. 44. — Es ist für den Zusammenhang unserer Untersuchung nicht notwendig, festzustellen, in­wieweit die Erkenntnisse, die man heute „soziologische“ nennt, etwa schon vor 175

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