Historische Blaetter 2. (1921)

G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft

antiken Sozialismus und Kommunismus geschrieben und gar noch dabei die Dinge übertrieben hat, auch irgendwie etwas. Marxist sein müsse. Wenn gewiß die marxistischen Historiker dazu neigen, mo­derne soziale Gegensätze in vergangene Zeiten zu übertragenl, so ist doch nicht umgekehrt jeder Historiker Marxist, der diesen Fehler begeht2. Pöhlmann war ein temperamentvoller, vielerlei Anregungen bietender Forscher. Aber sein Buch über den antiken Kommunismus und Sozialismus ist mit seiner Einschiebung moderner Verhältnisse in das Altertum ein einfacher, bedauernswerter Mißgriff. Doch diesem Mißgriff allein hat er es zu verdanken, daß Tröltsch ihn jetzt in den Himmel der marxistischen Historiker versetzt und nicht in die Hölle der „Fachhistoriker“ hinabstößt und daß er die „philosophische Me­thode“ (die den Fachhistorikern fremd sei) an ihm rühmt! Pöhl­mann war ein scharfer Gegner des Marxismus. Warum unterläßt Tröltsch es, Lamprecht in jenen Himmel mitaufzunehmen, bei dem sich gelegentlich ein ähnlicher Fehler wie bei Pöhlmann findet3? Erheiternd ist ebenso die Behauptung über „den unverkennbaren marxistischen Einschlag in Delbrücks großer Kriegsgeschichte“ (S. 441). Tröltsch hätte nur wenig in Delbrücks „Preußischen Jahrbüchern“ zu blättern brauchen, um sich davon zu überzeugen, mit wie vollendeter Schroffheit dieser Marx gegenübersteht4. Er mag wohl davon gehört haben, daß Delbrück oft mit wirtschaftlichen Argumenten operiert. Aber deshalb ist noch niemand Marxist. Delbrücks kriegsgeschichtliche Untersuchungen beruhen — darin liegen ihre Vorzüge wie. Nachteile — auf einer ausgiebigen, gelegentlich verscliwienderiscbeaVerwendung der historischen Analogie. Auf solchem Wege sucht er die Zuver­lässigkeit der Nachrichten über militärische Einrichtungen und Vor­1 Man denke etwa an Schönlanks Buch über die alten Gesellenverbände! Vgl. meine „Probleme“, S. 459 f. und S. 547. 2 Pöhlmann war bekanntlich keineswegs Marxist. Vgl. z. B. meine „Pro­bleme“, S. 668, unter Pöhlmann. Aus Roscher-Pöhlmann, Grundlagen, 24. Afl., § 21 b, S. 58, hätte sich Tröltsch bequem überzeugen können, daß Pöhlmann die Unterbau-Überbautheorie, die Tröltsch als wertvolle Errungenschaft des Marxismus schätzt und festhält, durchaus verwirft, 3 Vgl. meine „Probleme“, S. 547. Es sei übrigens daran erinnert, daß Lamprecht seine Einführung in die geschichtliche Nationalökonomie Roscher verdankt. 4 Vgl. z. B. Preußische Jahrbücher, Bd. 114, S. 532, aus Anlaß einer Kritik einer Schrift von F. Oppenheimer („Marx hat in der Geschichte der Wissenschaft über­haupt keinen Platz“); Jahrg. 1920, November-Heft. Delbrück geht noch erheblich über Ad. Wahl (Tübinger Rektoratsrede vom 30. April 1921, S. 20: „Der Marxis­mus ein Produkt des tiefen philosophischen Verfalls nach der Abwendung des deut­schen Geistes vom Idealismus“) hinaus. 14* 205

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