Historische Blaetter 2. (1921)
G. v. Below: Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft
gänge festzustellen, z. B. durch Erörterung der Fragen der Heeresverpflegung. Dabei gelangt er dazu, die Bedeutung des wirtschaftlichen Faktors zu ermitteln. Indessen ist dies Verfahren ja grundsätzlich kein anderes als das schon von Niebuhr geübte, der die Analogie der Verhältnisse von Ditmarschen zur Erläuterung der altrömischen héranzog. : i ' Wenn aber Tröltsch auf der Suche nach marxistisch' .beeinflußten Historikern die Hand selbst nach1 denen ausstreckt, bei denen er in dem Zwielicht seiner Unorientiertheit einen hingehaltenen Strohhalm zu entdecken wähnt, so machen wir hier die Beobachtung, daß das Suchen ohne Orientiertheit doch immer Zeit- und Kraftvergeudung ist. Wie viel näher hätte es gelegen, andere Historiker oder Nationalökonomen zu nennen, die mit dem' Marxismus wirklich etwas zu tun haben! Vor allem hätte Tröltsch sich L. M. Hartmann nicht entgehen lassen dürfen, der sich entschlossen zum Positivismus (insbesondere zu dem Machs) und Marxismus bekennt und ein respektabler Forscher ist, zweifellos die interessanteste Erscheinung aus den Beziehungen des Marxismus zur Geschichtswissenschaft. Es ist zwar wiederholt von seinen Kritikern gesagt worden, daß sein positivistischmarxistisches System sich in der Geschichtswissenschaft nicht durchführen läßt, weil diese ihm widerstrebt. Als Forscher ist Hartmann Schüler von Brentano, Scheffer-Boichorst und Mommsen und in seinen verfassungs-, verwaltungs- und wirtschaftsgeschichtlichen Studien, die dem Übergang vom Altertum zum Mittelalter gewidmet sind, wird man unschwer den Schüler Mommsens entdecken; sie werden auch das Bleibende seiner wissenschaftlichen Leistungen darstellen'. Immerhin ist er derjenige, der am ernstlichsten die positivistisch-marxistische Auffassung in der Geschichtswissenschaft zur Geltung zu bringen sich bemüht hat. Vielleicht darf er als' der einzige Vertreter dieser Kategorie im vollen Sinn angesehen werden. Es ist aber unsere Pflicht, von Tröltsch, der das Maß des End- Busses von Marx feststellen will, nicht bloß zu verlangen, daß er diejenigen wissenschaftlichen Arbeiten zuverlässig schildert, bei denen sich ein solcher Einfluß zuverlässig erkennen läßt, sondern nicht weniger, daß er uns das Verhältnis dieser Arbeiten zu den von Marx nicht beeinflußten schildert. Denn wir wollen doch wissen, welches die bedeutendere Literatur ist, in welchem Maß der Marxsche Einfluß vorgedrungen ist. Es wäre Tröltsch’ Obliegenheit gewesen, zu untersuchen, welche Stellung die deutschen Historiker im ganzen und besonders diejenigen, .die sich mit der Rechts- und Wirtschaftsgeschichte 206