Pester Lloyd-Kalender 1861 (Pest, 1861)

Pester Lloyd-Kalender für das Jahr 1861. - Necrologie

18 Necrologie. gab. Später lebte er in Prag, bis er den Oberbefehl über das belgische Heer übernahm: doch mußte König Leopold, den Reklamationen der Ostmächte zu Liebe, ihn 1839 als Divisionsgeneral zur Disposition stellen. Die letzten Jahre seines Lebens brachte er, mit Erlaub- niß Oesterreich's, Wieder in Krakau zu, wo er am 12. Januar verschied. Spl^Nyi, Freiherr, ein brillanter und sehr ge­duldeter Husarenofficier, Schwager Goyon's, 1849 eine Zeitlang diplomatischer Agent in der Türkei, dann als Emigrant in Conftantinopel lebend, starb daselbst, durch den starken Gebrauch des Opiums zerrüttet, Ende 1859 im Alter von 44 Jahren. Stephanie, verwittwete Großherzogin von Baden, starb am 29. Januar in Nizza. Sie war die am 28. August 1789 geborne Tochter des Gra­fen Beauharnais aus dessen erster Ehe mit einer Marquise Lapay-Marnesia. Von Napoleon I. und der Kaiserin Josephine adoptirt und mit dem Titel „kais. Hoh." beliehen, lebte sie in Paris, bis sie 1806 dem Erbgroßherzoge Karl von Baden vermählt ward, der im December 1818 als regierender Großherzog starb. Seitdem lebte sie als Wittwe zurückgezogen, aber hochgeehrt um ihres Verstandes wie um ihres Herzens willen, in Mannheim. Sie war unter an­deren eine Freundin des berühmten Heidelberger Historiker's Schlosser; auch Napoleon III. gab bei jeder Gelegenheit zu erkennen, wie viel Werth er auf diese Adoptivverwandtschaft legte. Széchényi, Stephan Graf, „der größte Ungar", wie einer seiner Gegner ihn auf dem Land­tage 1840 nannte, wurde in Wien am 21. Sep­tember 1791 geboren, als dritter und jüngster Sohn des am 13. Dezember 1820 verstorbenen, hochge­bildeten und die Wissenschaften eifrig beschützenden Grafen Franz Széchényi, Gründers des Nationalmuseums und Schwagers des Grafen Ge­org Festetics, der sich seiner Zeit durch Errich­tung des „Georgicon's", einer landwirthschaftlichen Schule zu Keßthely, große Verdienste erwarb. Er verbrachte seine Jugend beim Militär, zum Theil im Auslande, in den gegen Napoleon geführten Kriegen; das Ungarische sprach er fehlerhaft, und von seiner Liebe für die Wissenschaften und das Vaterland gab er anfangs nur wenig zu erkennen. Erst nachdem er von 1809 bis 1815 an mehreren namhaften Schlachten im Kriege gegen Napoleon theilgenommen; nachdem er in der Schlacht bei Leip­zig, in welcher er eine Kavallerieeskadron führte und mit einem wichtigen Auftrag an Blücher be­traut war, sich ausgezeichnet; dann an der Okkupa­tion von Paris und dem Glanz des Wiener Kon­gresses theilgenommen; nachdem er int Laufe seines siebzehnjährigen Militärdienstes den russischen Wladi­mir-, den preußischen Verdienst-, den sardinischen Mauritius- und Lazarus- und den sizilianischen Verdienstorden erhalten; nachdem er sich unter sei­nen Berufsgenossen, die er alle int Reiten und in anderen Leibesübungen übertraf, großes Ansehen er­worben und die halbe Welt durchwandert hatte: begann er sein Leben ausschließlich dem Vaterlande zu widmen. Aus den Reisen, die er nach Beendi­gung des französischen Krieges in Spanten, Italien, Griechenland, in der Türkei, 1820 in Kleinasien, England und Frankreich machte, verschaffte er sich, wenn auch keine gründliche wissenschaftliche Ausbil­dung, so doch große Welterfahrung; in der schönen Literatur und im Gebiete der Nationalökonomie war er stark belesen. Mit Nikolaus Wesselényi, der spater sein berühmter politischer Gegner wurde, machte er 1821 und 1822 große Reisen; indeß dachte er damals noch wenig an Politik, und für die Zukunft der Nation hatte er zu jener Zeit we­nig Hoffnung. Daher überraschte es Jedermann, als er am 23. November 1825, in welcher Zeit er noch die Uniform trug, sich in die öffentlichen Angelegenheiten mischte. Man brachte auf dem Landtag eben die Idee auf's Tapet, zum Behufe der Ausbildung der Sprache eine gelehrte Gesell­schaft zu gründen, und da tritt ein bis dahin nur in den Salons genannter, in den politischen Krei­sen völlig unbekannter Rittmeister des Husarenregi- mentes Hessen-Homburg auf, und opfert zu diesem Zweck sein ganzes Einkommen von einem Jahre, 60,000 fl. Das edle Beispiel riß Viele zur Nach­ahmung hin, und der zur Errichtung der Akademie nöthige Fonds war bald beisammen. Von dem Mo­mente an wendete sich die Aufmerksamkeit des gan­zen Landes auf den Grafen, dessen Haupte nunmehr in rascher Folge zahlreiche Reformprojekte entspran­gen. In den Jahren 1826 und 1827 brachte er zuerst in Preßburg, dann in Pest die Pferderennen und den P s e r d e z u ch t v e r e i n , der sich später zu einem Thierzucht- und endlich zum Landwirth- schastsverein erweiterte, zu Stande; 1828 schrieb er selbst ein ausgezeichnetes Buch „über die Pferde." Um dieselbe Zeit regte er die Idee der Gründung eines Casino an, welche gleichfalls bald darauf zur Ausführung gelangte. Im Jahre 1830 wurde er Vicepräsident der ungarischen Akademie, und in demselben Jahre trat auch sein berühmtes Werk über den „Credit" an die Oeffentlichkeit, welches im Lande ein Aufsehen erregte, das unter den damali­gen Verhältnissen ganz beispiellos war. Széchenyi griff tn diesem Werke das ganze Feudalsystem an, und zeigte, daß dasselbe nothwendig zum materiellen Ruin des Landes führen müsse. Schon dadurch rief er die ganze, damals noch so zahlreiche conservative Partei gegen sich in die Schranken. Der alte Graf Joseph Deffewffyi, der kurz ßpcv noch den jungen Széchenyi besungen hatte, schleuderte iy seiner ^Ana­lysis" den Bannstrahl gegen den politischen Bil­derstürmer, worauf Graf Stephan mit einem dicker» Buche, „die Welt", antwortete, welchem bald ein

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