Pester Lloyd-Kalender 1860 (Pest, 1860)

Pester Lloyd-Kalender für das Schalt-Jahr 1860 - Nekrologie

Nekrologie. 27 Congressen zu Aachen, Troppau, Laibach und Verona, so wie bei den Minister-Conferenzen zu Karlsbad und Wien. So lange er die Geschicke Oesterreichs leitete, bewährte Metternich sich, mit Leib und Seele dem Systeme der heiligen Allianz ergeben, als der con- servativste, cvnseqnenteste Staatsmann Europas, des­sen tiefer und rascher Scharfblick von Freund und Feind in gleich hohem Grade anerkannt worden ist. Er war nicht nur der unbeugsamste Vertreter der conservatioen politischen Ideen, er war großentheils auch deren Schöpfer und hing diesen Ideen so treu an, daß er aus Scheu, mit irgend einer Neuerung zu­gleich auch manche ältere Institutionen alteriren zu müssen, selbst vor jenen Veränderungen sich hütete, denen er an und für sich nicht abgeneigt war. Als Diplomat war er eisern, aber ohne Leidenschaftlichkeit, als Mensch und Menschenkenner tolerant und wohl­wollend. „Fortiter in re, suaviter in modo" — unbeugsam in der Sache, milde in der Form — lau­tete der Spruch, den er selber als die Devise seiner auswärtigen Politik bezeichnete. Im Jahre 1816 be­schenkte Kaiser Franz I. ihn mit dem Schloß Johan­nisberg : und am 25. Mai 1821 ward er zur Würde eines Geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlers er­hoben, eine Stelle, welche seit dem Ableben des Für­sten von Kaunitz (1794) in Oesterreich Niemand mehr bekleidet hatte. Am 13. März 1848 legte Metternich seine Stelle nieder, als das Verlangen des Volkes mn seine Entfernung an entscheidender Stelle mehr­fache Fürsprecher fand, unter denen Erzherzog Jo­hann eine hervorragende Stelle einnahm. Cr lebte nunmehr in England und Belgien, dann auf dem Johannisberge; und kehrte erst 1851 in seine Villa, auf dem Rennwege in Wien zurück, deren sinnreiche Inschrift „parva domus, magna quies" — klein das Haus, groß die Ruhe — insofern eine Wahr­heit wurde, als er fern den Staatsgeschäften, nur bei wichtigen Angelegenheiten noch um Rath gefragt, dem regen Interesse für Wissenschaft und Kunst die völlige Frische seines Geistes im Familien- und Freundeskreise widmen konnte. Fürst Metternich war bis an die Schwelle des Greisenalters in Wuchs und Gestalt, in Blick und Bewegung, eine regel­rechte und anmuthtge Erscheinung: Statur des Mittelschlages, durchgängig Maß und Ziel— die ge­wölbte hohe Stirn, die Hellen blauen Augen voll Milde, die nur mäßig gebogene Rase, die schönfarbi­gen, so reichen als weichen, sorgfältig geordneten Haare bildeten — wie Hormayr, sonst eben kein wohl­wollender Beurtheiler, sich ausdrückt — „ein zauber­volles Ganze". Durch die Schärfe seines Adlerblickes vermochte er in einem Momente das ganze Wesen des ihm Entgegentretenden bis in das Innerste zu durch- dringcn, und durch seine gewinnende Freundlichkeit wußte er das Vertrauen auch des Befangensten und selbst des Mißtrauenden nicht nur zu erwecken, son­dern bis zum offenen Ergüsse anzustacheln. Die Men­schen und die großen Begegnisse waren nicht umsonst an ihm vorübergegangen. Eine Audienz bei Metter­nich hatte stets etwas Pikantes ; in seinen Gesellschaf­ten zeigte er sich liebenswürdig und zovorkommend. Die Hülle des Verblichenen ward in Wien eingeseg­net und durch Prag nach der fürstlich Metternich'schcn Herrschaft Plaß bei Kralowitz gebracht, wo dieselbe in der fürstlich Metternichsschen Familiengruft, die sich in der ehemaligen Cistercienserkirche befindet, beige­setzt wurde. Der Verstorbene war drei Mal vermählt. Nachdem seine erste Gattin die Gräfin Eleonóra von Kaunitz, die er 1795 geehelicht, 1818 gestorben, vermählte er sich 1827 mit der Gräfin von Beilstein, und nachdem diese 1829 gestorben, zuletzt 1831 mit der Gräfin Melanie von Zichy-Ferraris. Er hinter­läßt drei Söhne und drei Töchter. Der älteste Sohn Se. Durchl. Fürst Richard Metternich, war bisher k. k. Gesandter am königl. sächsischen Hofe und ward gerade um die Zeit wo sein Vater starb, in das Hauptquartier Sr. Apostolischen Majestät des Kai­sers Franz Joseph nach Verona berufen, um dort die diplomatischen Geschäfte zu führen. Wie dem alten Fürsten sein Gegner von 1848, der Erzherzog Johann, genau um Einen Monat in das Grab vor­angegangen war : so nahm Metternich selber den un­mittelbaren Eindruck der Nachricht von der Schlacht bei Magenta mit in die Gruft. Morelly Franz. Der beliebte Walzerkompntst und namentlich den Pestern auf das Vortheilhaf-- teste bekannte Kapellmeister starb im 49. Jahre zu B v m b a y am 17. Januar 1859 nach achtmonat­licher Krankheit eines schmerzlichen Todes. Er hatte sich durch einen Trunk Eiswasser eine Erkältung zu­gezogen und kam von diesem Augenblicke an inseinen Kräften sehr herunter. Die Anstrengungen dreier Aerzte sowie eine Reise ins Gebirge konnten dem Pa­tienten die verlorene Gesundheit nicht wiedergeben. Sein Tod erfolgte eine Stunde vor Mitternacht, als eben im Hausedes Gouverneurs, Lord Elphinstone, bei dem Morelly als Kapellmeister angestellt war, ein Ball- fest abgehalten wurde. Der brittische Würdenträger legtee seine Sympathie für den Verstorbenen dadurch an den Tag, daß er auf die Todesnachricht die Musik ab- beftellen ließ und sich auf eine Weile in sein Zimmer zurückzog. Auch in Pest-Ofen hat die Nachricht von Morelly's Tod manchen Theilnehmenden gefunden, da er daselbst durch seinen Wohlthätigkeitssinn ein freundliches Andenken zurückgelaffen hat. Musard, der Pariser Strauß, insbesondere als Orchesterdirector auf den Maskenbällen der gro­ßen Oper berühmt, starb 67 Jahre alt Anfangs April zu Anteuil bei Paris. Prescott, William Hicking, der hochgefeierte nordamerikanische Historiker, starb in seinem Vater- terlande am 28. Jänner unvermuthet an einem Schlaganfall. Er gehörte Einer der hochgestelltesten Familien von Nenengland an. Sein Großvater

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