Pester Lloyd-Kalender 1860 (Pest, 1860)

Pester Lloyd-Kalender für das Schalt-Jahr 1860 - Nekrologie

24 Nekrologie. Königs lebte Humboldt beinahe 20 Jahre bis 1827 mit kurzen Unterbrechungen in der französischen Hauptstadt, während welcher Zeit die Franzosen ge­wohnt und geneigt wurden ihn ganz als den ihrigen zu betrachten. In Paris veröffentlichte er seine klassi­sche Arbeit über „Neuspanien" und schrieb sein großes Reisewerk „Voyage aux régions équi- noctiales du nouveau continent.“ Ein Exemplar der Folioausgabe dieses riesenhaften Werkes kostete schon im Jahre 1844, wo noch viele Lieferungen nicht erschienen waren, über 10,000 Franks. An dasselbe schließt sich eine Pflanzengeographie der Troppenlän- der vom Niveau des Meeres bis zur Höhe von 15,000 Fuß. Die Pflanzengeographie ist überhaupt ein von Humboldt geschaffenes Gebiet. Humboldt begleitete während seines Aufenthaltes in Paris den König von Preußen nach London, nach den Kongressen von Aachen (1818) und Verona (1822). Die ihm im Jahre 1810 von Hardenberg dringend anempfoh­lene Staatsanstellnng, die oberste Leitung des Unter­richtes, wies er jedoch zurück, weil er sich seine un­abhängige Stellung als Gelehrter bewahren wollte. Im I. 1827 endlich nahm Humboldt seinen bleiben­den Wohnsitz in Berlin, wo seine im selben Jahre gehaltenen Vorlesungen außerordentliches Aufsehen erregten. Jm J. 1829 trat er im Aufträge des Kaisers Nikolaus seine zweite Weltreise nach dem Ural, dem Altai und demtaspi- s ch e n See an, und sein langjähriger Wunsch , die sagenreichen, für die Wissenschaft interessanten Hö­hen Zentralasiens aus eigener Anschauung kennen zu lerrnen, ward verwirklicht. Die ganze Reise, ans welcher in 9 Monaten 2320 Meilen zu­rückgelegt wurden, war reich an mineralogisch- geognostischen Wahrnehmungen, und Humboldt hat während derselben seine erfolgreichen Studien über Klimatologie gemacht. Die Resultate der asiatischen Reise hat Humboldt in seinem gefeierten Werke „Centralasien" niedergelegt. Nach Beendigung der asiatischen Reise nahm die Thätigkeit Humboldt's wieder einen politischen Charakter an. Die Ju­lirevolution brachte das Haus Orleans auf den fran­zösischen Thron, und die nahe Verbindung, in wel­cher unser Gelehrter von früher zur Julidynastie ge­standen, bewirkte, daß er von seiner Regierung nach Paris geschickt ward, um Louis Philipp zu begrüßen, und mit Wissen des französischen Hofes politische Berichte nach Berlin zu senden. Am 8. April 1835 schied Wilhelm v. Humboldt von dieser Erde, und unser Gelehrter hatte einen geliebten Bruder zu be­weinen und dessen nachgelassene Schriften für den Druck zu ordnen. 1841 und 1845 begleitete Hum- boltd den König nach England und Dänemark. Ende Mai des Jahres 1842, als am 102. Jahres­tage der Thronbesteigung Friedrichs des Großen, stiftete Friedrich Wilhelm IV. eine Friedens­klasse des früher nur dem millitärischen Verdienste erreichbaren Ordens „pour le mérite." Nur drei­ßig Gelehrte und Künstler Deutschlands können die­sen Orden tragen, Alexander Humboldt ward vom Könige zum Kanzler desselben ernannt. Bei dieser Gelegenheit erwähnen wir auch, daß Humboldt nicht nur von dem ihm befreundeten Friedrich Wilhelm IV. dessen königliche Schlösser ihm offen standen, son­dern auch von allen Fürsten des Auslandes mit Aus­zeichnungen und den ersten Ordensdekorationen überhäuft wurde, ohne daß er jedoch die streng li­berale Richtung seiner politischen Gesinnung jemals verläugnet hätte r „Vollkommenes Gedeihen und Freiheit — heißt cs in seinen Schriften — sind unzertrennliche Ideen auch in der Natur! — Aeu- ßere Mittel des Zwanges, kunstreiche Staatsverfas­sungen, eine lange Gewohnheit der Knechtschaft konnten freilich einigen, konnten das vereinzelte Da­sein der Völker aufheben, aber das Gefühl von der Gemeinschaft und Einheit des ganzen Menschenge­schlechtes, von der Berechtigung aller Theile dessel­ben hat einen edleren Ursprung." Humboldt hat seine großen Werke ursprünglich in französischer Sprache geschrieben. Ein Werk hat er jedoch in deutscher Sprache geschrieben, ein Werk das er als ein Ver- mächtniß an die deutsche Nation zurückläßt, dieses Buch ist der K o s m o s , in welchem der große Ge­lehrte die Resultate einer fünfzigjährigen Beo­bachtung niedergelegt hat, es ist dies ein imposantes Gemälde der W e l t, in dem die geheimnißvollen Fäden welche die Erscheinungen im weiten Gebiete der Natur mit einander verbinden, bloßgelegt wer­den. Von dem ganzen Werke sind bis jetzt nur vier Bändeer erschienen, der letzte im Jahre 1858: doch soll sich ein fünfter unter den nachgelassenen Papieren des Verstorbenen befinden. Humboldt war bei dem souverainen Rang, den er im Reiche des Wissens einnahm, Mitglied der bedeutendsten Wissen­schaften Institute, und auch unsere ungarische Akademie wählte nach ihrer Reorganisirung den Nestor der Naturwissenschaft zu ihrem Ehrenmitgliede. Humboldt dankte für diese Auszeichnung in einem in französischer Sprache abgefaßten Schreiben, wel­ches in der Akademiesitzung vom 14. Marz 1859 vorgelesen wurde. Der hochgefeierte Nestor der Naturwissenschaften schätzte sich in diesem Schreiben glücklich, daß „die Arbeiten eines Greises die Anf- merksamkeit des wissenschaftlichen Institutes des edlen Reiches auf sich gezogen, das stets so günstig war dem freien Fortschritt des Gedankens und der Pflege der Wissenschaften." Humboldt's Gestalt war nur von mittlerer Größe, sein röthlichgelber Teint von der Sonne aller Zonne gebräunt; seine Füße und Hände waren klein und von vornehmer Bildung; sein Haupt mit der hohen, breiten Stirn war von silberweißem Haar umflossen; seine blauen Augen waren lebendig, ausdruckvoll und jugendlich; um seinen Mund spielte ein eigenthümliches Lächeln, halb wohlwollend,

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