Der Pesther Stadt- und Landbothe für das Königreich Ungarn 1843 (Pesth)
Der Pesther Stadt- und Landbote für das Königreich Ungarn 1843. - Erzahlungen und Sagen
28 D i e Zigeunerin. (Ein militärisches Abenteuer) Vor mehreren Jahren traf ich in einer Gesellschaft einen Baron von W a l l e n st ä d t, 'Der, unter dem Szekler Husarenregiment dienend, dem letzten Kriege Oesterreichs wider die Pforte beigewohnt hatte. Unter andern erlebten Abenteuern erzählte er folgende Begebenheit: „Es war im Frühjahr 1788, wo ich mit Ersatz-Mannschaft von Miklos-Dar, im Sepser-Stuhl in Siebenbürgen, zu meinem Regimente marschirte, das in der Gegend von Orsova stand. In einem Dorfe nahe an der Armee hielt sich eine Zigeunerin auf, die Markedenterei trieb. Meine abergläubischen Rekruten ließen sich ihr Kriegsgeschick weißsagen; ich lachte zu der Posse, hielt aber aus Scherz auch meine Hand hin. Der zwanzigste August!" sprach die Prophetin, indem sie mich bedeutend firirte, augenscheinlich, um mir'bange zu machen, sonst nichts. Ich wollte mehr wissen, sie wiederholte aber nur die Worte; da ich weiters zog , rief sie mir noch nach: „der zwanzigste August!" und diesmal am bangsten. Sehr erklärlich also daß ich wenigstens den Tag im Gedächtniß behielt. Wir fainett zum Heer und theilten dessen Beschwerden und Gefahren. Ich schweige davon, und erinnere nur, daß damals die Ottomanen keinem Gefangenen Unterstand oder Pardon gaben, vielmehr wurde den Türken für jeden Kopf ein Preis von einem Ducaten versprochen. Janitscharen und Spahis säumten daher auch nicht die Prämien zu verdienen, wo es nur Gelegenheit gab. Besonders waren unsere Vorposten schlecht daran , denn fast jede Nacht erschien eine angemessene Mehrzahl von Feinden, um Köpfe abzuholen, wobei sie so geheimund schnell verfuhren, daß das Wagestück selten mißlang. Dies bewog nun den Prinzen von Co bürg jede Nacht starke Caval- leriepikets außer der Vedettenkette aufzustellen, welche diese schützen sollte. Die Pikets bestanden aus 100 bis 200 Mann. Die türkischen Befehlshaber erzürnt, ihren Kopfhandel so zerstört zu sehen, griffen nun selbst diese Pikets mit Uebermacht an, denn hiebei war schon ein ansehnlicher Gewinn zu hoffen. Daher ward das Piketeinziehen eine Obliegenheit, voMvelcher man erst immer seine kleine Rechnung zu berichtigen pflegte. . So standen die Sachen im Monas August. Acht Tage vor dem zwanzigsten erschien die Zigeunerin, die ich seitdem oft mit Bietualien gesehen, in meinem Zelte, und verlangte, ich sollte, auf den Fall, daß ich am erwähnten Tage bliebe, ihr ein Ver- mächtniß von meinen Effecten aussetzen. Käme ich, gegen ihre Warnung mit dem Leben durch, so erhot sie sich zur Lieferung eines Korbes Tokayer. So glaublich auch unter solchen Umständen ein baldiger Tod sein konnte, so erwarteteckch ihn doch gerade nicht auf den Tag , und ließ mich^n^en Vertrag ein. Die Alte sollte meine zwei Pferde und 50 Ducaten erhalten, wenn ich blieb, widrigenfalls sie den Tokayer bringen. Der Auditor schrieb es lachend nieder. Der 20fte August kam heran. Es gab keine Aussicht zur Action. An unserm Regiment war die Reihe das Nachtpiket des rechten Flügels zu geben; ich für meinen Theil war aber sicher, da noch zwei Offiziere vor mir auf dem Commandore- gister standen. Es war Abend, ich sah die Husaren sich nach und nach anschicken, da erschien der Chirurgus bei dem Regimentskommandanten nnd meldete, der bestimmte Offizier sei plötzlich krank geworden; der folgende, mein Vordermann ward also ernannt. Er kleidet sich schnell an und will zu seinen Leuten, aber sein Pferd bäumt sich einmal über das andere, der Reiter vermag's nicht zu beruhigen, wird abgeworfen nnd bricht das Bein. Nun war die Reihe an mir. Ich gestehe, daß mir doch nicht so ganz zu Muthe war, wie gewöhnlich. Ich rückte mit SO Mann aus, ein Rittmeister von einem andern Regimente mit 120 stieß dazu, so daß das Piket aus 200 Mann bestand. Wir hatten unsern Posten 1000 Schritt von der Linie des rechten Flügels und stützten uns an einen Sumpf mit hohem Schilfrohr bewachsen. Schildwachen wurden nicht vorwärts gestellt, deswegen verließ auch die Mannschaft den Sattel nicht; der Säbel am Gefäßriemen, den Carabiner in Anschlag bis zu Tagesanbruch — so hieß die Regel. Bis eine Viertelstunde vor Mitternacht war Alles ruhig, dann vernahmen wir ein schleichendes Getöse, bald darauf ein lautes Allah, ut|r eine Minute später lagen alle Pferde des ersten Gliedes von Schüssen oder dem Anrennen von 600—800 Türken über dem Haufen. Von unserer Carabinersalve und durch den tollkühnen Chok waren eben so Viele von ihnen gestürzt. Der Feind' kannte das Local. Wir wurden umringt, übermannt, man stach, schlug, schoß wild aufeinander. Ich bekam acht Säbelhiebe von Freund und Feind, mein Pferd einen tödtlichen Schuß eS fanf’ auf mein rechtes Bein und drückte mich in den warmblütigen Sand. Die Pistolen leuchteten gleich schnellen Blitzen zu ben Greueln der Masiacre. Ich sah von der Erde hinaus. Die Verzweiflung wehrte sich unsererseits, aber die von Opium berauschten Türken waren übermächtig und bei diesem Morden kamen drei, vier auf einen von uns. Bald stand keiner der Kaiserlichen mehr. Die Ueberwinder bemächtigten sich u:ch der brauchbaren Pferde, plünderten Todte und Verwundete erst und baten sich dann die Kopfe aus, zu deren Transport sie eigene Säcke mitgebracht hatten. Man wird meine Lage nicht beneiden. Wir verstanden meistens türkisch, ich hörte daher die Aufmunterung zu eilen, ehe Succurs erschien, und keine Ducaten zu- rückzulassen, es müßen 200 sein. Davon waren sie also genau ^unterrichtet. Indem man nun über mich wegschreitet und Kugeln, Spieße und Glieder über mich fliegen, bekommt mein Pferd noch einen Schuß, der, weil noch nicht alles Leben weg war, eine convulsivifche Bewegung verursachte. Sie gab mir Luft, mein Bein wegzuzichen, und ich ergriff den Gedanken, mich <£r$áí)íungm trab 0a$en.