Der Pesther Stadt- und Landbothe für das Königreich Ungarn 1843 (Pesth)

Der Pesther Stadt- und Landbote für das Königreich Ungarn 1843. - Erzahlungen und Sagen

wo möglich in den Rohrsumpf zu werfen.' Schon hatte ich be­merkt, daß einige der Ünsrigen eS versuchten, doch erhaschten sie die Feinde. Das Schießen hörte jedoch immer mehr auf, folg­lich gab die Dunkelheit Hoffnung. Zwanzig Sckritte hatte ich nur, auch die Wahrscheinlichkeit zu versinken. Doch sprang ich über Pferd und Menschen, mehre Türken niederrennend; man- griff, man hieb, doch Schnelligkeit und ein gutes Gestirn ließen mich den Morast erreichen. Ich sank anfänglich nur bis an's Knie, arbeitete mich wohl hundert Schritte im Schilfe fort, dann . blieb ich aus Ermattung stecken. Ich hörte eine türkische Stimme: es sei ein Dschauer entsprungen, man sollte nachsetzen. Andere erwiederten: es ginge nicht durch den Sumpf. Das ist das Letzte, was mir noch erinnerlich ist, gleich darauf mußte mich, den Verblutenden, eine lange Ohnmacht befallen haben, denn als meine Besinnung wiederkchrte, stand die Sonne hoch. Der 20fie August war einer meiner ersten Gedanken, als ich mich bis an die Hüften versunken fand, und mir unter fühlbarem Haar- stränben die Bilder der Nacht vorschwebten. Jetzt zählte ich meine Wunden, es waren acht, doch keine von Bedeutung. Lauter Kerben vom Seitengewehr über Arm, Brust und Rücken. Ich trug einen dicken Pelz, da die Sommernächte dieser Ge­genden kalt sind, und das hatte mich wunderbar geschützt. Nur war ich vom Blutverlust sehr ermattet, konnte aber meine Glie­der gebrauchen. Ich lauschte, die Türken waren längst entfernt, Vom Wahlplatz tönte hin und wieder das Stöhnen schwerblessir- ter Pferde, die Menschen schwiegen wohl. Es dämmerte die Hoffnung für mein Entkommen in mir; ich versuchte mich loszumachen, uach stundenlanger Anstrengung gelang's; die Spur wo ich hergekommen war, wurde sichtbar, ich folgte ihr. So fühllos die Natur eines TürkenkriegeS macht, so bangte dem Einsamen vor dem Anblick außerhalb des Rohrs. Ich trat hinaus. Meine Blicke fielen auf das empörenve Schau­spiel ; wer malt aber meinen Schreck, als ich mich plötzlich von der Seite am Arm gepackt fühlte. Ein Arnaut war hinzuge- schlichen, noch etwas Vergessenes zu plündern, ein sechs Schuh hoher gräßlicher Kerl. O getäuschte Hoffnung des Lebens! Ich redete ihn türkisch an: nimm meine Uhr, mein Geld, meine Uniform, tobte mich nicht! Er erwiederte: „das ist doch mein, dein Kopf auch ," und hierauf löste er mir das Band auf, was bte Husarenmütze unter dem Kinne hält, dann die Halsbinde. Ich besaß nicht die geringsten Waffen, an Gegenwehr war nicht zu denken, er hatte gleich sein breites Messer gezückt und stieß es mir sicher bei der ersten widerspänstigen Bewegung in die Brust. Ich faßte ihn stehend um den Leib, indem er mit Ent­blößung meines Halses beschäftigt war. „Habe Barmherzigkeit, ich bin von reicher Familie, nimm mich gefangen, dir soll eine hohe Ranzion werden!" „Das ist zu weitläufig," entgegmte er, halte nur still, daß ich schneiden kann," und zog schnell die Nadel aus meinem Hemdekragen. Ich hatte ihn bittend um­schlungen, er im Vortheile der Leibesstärke, der Bewaffnung und sogar mit einigem Mitleid, hinderte es nicht. Indem er jene Nadel auszog, fühlte ich etwas Hartes in seinem Gürtel. Er sagte bereits noch einmal! „nun halte still," und das wä­ren meine letztgehörten Worte in dieser Welt gewesen, wenn mir's nicht die Todesangst eingegeben, ihm plötzlich den Ham­mer aus dem Gürtel zu reißen. Er versah sich's nicht, hatte mit einer Hand meinen Kopf, mit der andern das Messer gefaßt und ich kam durch eine heftige Bewegung auf einen Augenblick los. Diesen benutzte ich, ihm den Hammer aus Leibeskräften in's Angesicht zu schlagen. Er war schwer. Ich traf nicht fehl, der Arnaut taumelte. Die kostbare Zeit rief zum zweiten Schlage. Ich säumte nicht. Der Fürchterliche sank, das Messer entfiel. Das ich'S mqbe ergriffen und ihm mehrmals in den Leib gesenkt haben, bedarf kaum der Erzählung. Ich floh gegen unsere Vorposten, deren Waffen im Sonnen­glanz blitzten und gelangte ins Lager. Man machte mir wie einem Gespenste Platz. Noch denselben Tag ward ich, am hitzigen Fieber erkrankt, zum Feldspital geführt. Das wird Niemand sonderbar finden. Nach sechs Wochen hatten mich indessen die Aerzte von Krankheiten und Wunden befreit, und der Berus führte mich wieder zum Heer. Nach meiner Ankunft brachte jene Zigeune­rin den bedungenen Ungarwein, und ich mußte von Andern hö­ren, daß ihr während der Zeit merkwürdig bestimmte Weissa­gungen gelungen, und sie dadurch zu einem vielbezahlten Rufe und mehreren Erbschaften gelangt sei. Das war höchst sonder­bar. Indessen kamen nachher zwei Ueberläufer, servische Chri­sten, beim Troß der Ottomanen angestellt, und aus Furcht vor einer verwirkten Strafe entflohen, in das Lager. Diese sagten, die egyptische Seherin erblickend, aus: Sie käme oft nächtlich in's türkische Lager, um über uns zu kundschaften. Das be­fremdete nicht wenig, da sie es oft für uns gethan, und man die Gewandtheit bewundert hatte, mit der sie häufig die gefähr­liche Sache ausgeführt. Jene bezeugten aber, dabei gewesen zu sein, wenn sie unsere Positionen beschrieben, unser Vorhaben entdeckt, und die Türken zu mehreren hiernach erfolgten An­griffen angefeuert habe. — Sie hätte, hieß es, eine türkische Chiffer, welche als Paß diente. Man fand diese bei ihr, und verdammte sogleich die Spionin zum Strange. Vor der Voll­streckung fragte ich sie noch über das nicht zu Enträthselnde. Sie gestand bei der doppelten Kundschafters des doppelten Gewinnes halber, habe sie Vieles, was Vorgehen würde, erfahren, um so mehr, da diejenigen, welche sich ihrer Rativitätstellerei ins­geheim bedient sehr vertraulich gewesen. Der Zufall habe sie auch begünstigt. Bei mir hätte sie eine recht glänzende Autori­tät erlangen wollen, nachdem sie lange vorher einen bedenkli­chen Termin auf's Geradewohl genannt. Im Annähern des 20sten Augusts wären die Feinde von ihr vermocht worden, in einer Nacht auf dem Posten, wo unser Regiment stand, etwas zu unternehmen. Bei ihrem Verkehre mit den Offizieren hätte sie erfahren, daß zwei in der Reihe vor mir ständen und dem elfteren etwas schädliches im Weine verkauft, dem zweiten, da er wegreiten wolle, auch mit Zudringlichkeit etwas zum Kauf angeboten, und dabei unbemerkt dem Pferde ein Stück bren­nenden Schwamm hoch ins Nasenloch gesteckt." (Diese sonderbare Geschichte ist so weit zu verbürgen, daß der Baron dem Nacherzähler sowohl, als mehreren andern bei Mittheilung der Begebenheit, die acht Wunden gezeigt hat.)

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