Der Pesther Stadt- und Landbothe für das Königreich Ungarn 1832
Der Pesther Stadt- und Landbothe für das Königreich Ungarn 1832 - Zweite Abtheilung - Mannigfaltigkeiten
59 Mannigfaltigkeiten. D i e Bären-Tatze. Eben ging ein Bürger einer Provinzialstadt dem Kaffeehause zu, um da sein Nachmittags-Pfeifchen zu schmauchen, und nach althergebrachter Sitte so manche politische Fehde mit der schwarzen Suppe in den Zeitblättern zu nbcrtünchen, als ihm ohnwcit des Hauses Lines Barons ein Hund mit einem Stücke Fleisch entgegen rannte: der wohlweise Bürger gerietst in nicht geringe Verlegenheit, da er im Fleischstücke eine Menschenhand erkannte und meinte pflichtgemäß hier seine ganze Besonnenheit sammeln zu müssen, gedacht, gethan: da der laufende Hund keine Zeit übrig ließ, um eine Stadtgarde herbeiznrufcn, schwang Er im hohem Eifer über das allgemeine Wohl seinen kostbaren Bambusstock, und verfolgte den Criminal-Ansreißer mit ritterlichen Muth, jagte selben das Corpus delicti glücklich ab, und trug diese Trophäe seiner Bürgertreue schweißtriefend aufs Rath Haus, wo die cingebrachte Menschenhand wohl die entsetzliche That beurkundete, aber auch die wohtwcise Frage zu erörtern war, ob die Hand von einen: lebenden Menschen oder tobten Körper herstamme? — Die tobte Hand wurde zur Schau unter dem Rathhausthore auf ein weißes Tuch ausgestellt, Hunderte bcseufzten das Unglück, 'aber Niemand konnte Kunde schaffen über die furchtbare Begebenheit. Tags darauf wurde eine Kriminal-Untersuchung angeordnet, der Bürger als Kläger erschien mit dem Corpus delicti — viele Nachbaren vernommen, und nachdem mit aller Vorsicht die Domestiken des Barons auch abgehört, Alles erfolglos, doch umständlich zu Protokoll gebracht wurde, trat der wahlweise auch umsichtige Kläger vor, mit der Schreckens-Erklärung, daß Cr den Hund wohl kenne, und selben auch herschaffen wolle, wickelte dann ans dem weißen Tuche die Hand, und legte selbe auf den Tisch mit dem durchdringendsten Blicke eines Groß- Jnguisttors, wer dabei std) entsetzen , oder verrathen werde? da brach der Koch des Barons in ein verbrecherisches Lachen aus, und erklärte dem wohlweisen Kläger, diese Hand gehöre in sein Departement, ergriff selbe zum allgemeinen Schrecken mit bloßer Hand, und besah solche nach allen Richtungen : bevor aber sich die Commission vom Entsetzen erholte, bevor der treue Bürger die Worte aus der ängstlichen Kehle zur sonst so geläufigen nun gelähmten Zunge hervordrängen konnte, sprach der Koch die Schicksals schweren Worte aus: Eine Bärentatze ist es, meine Herren, die Niemand mehr genießen wollte, die der Hund wohl auf dem Misthaufen finden mochte. — Die Commission schlich sich fort, und der gute Bürger verwünschte alle Köche sammt dem Bären, da Er nun lange Zeit nicht ins geliebte Parlatorium des Kaffeehauses treten durfte, weil da die fatale Menschenhand wohl noch lange besprochen wurde, Ihm auch mancher Schalk mit der Frage auf der vi-affe quälte, ob es die rechte vier linke Hand gewesen? — Die Kirgisischen I a g d t e n. Die Kirgisen jagen mit beirt Adler das meiste Wild sehr erfolgreich, denn dieser greift selbst den Wolf an. Im Winter wird dort häufig mittclfUSchnee - Schlittschuhen gejagt,ftvobci ein geschickter Jäger im Laufe sich oft über Felsen und Abgründe schwingen muß, und dabei die Luft 40—50 Schuh breit durchschneidct, ehe er wieder festen Fuß fassend, weiter gleitet. Ein solcher Läufer übertrifft bei guter Schlittschuhbahn das beste Pferd um das dreifache in der Schnelligkeit des Galopps. Welt-Industrie. Merkwürdig ist es, daß das rothe Garn, welches vor dem aus der Levante nach Eberfeld kam, jetzt aus eben dieser wettkundig bekannten Fabrik und Handelsstadt Preußens nach der Levante geht, indem in Elberfeld nun die besten Rothfärbereien errichtet wurden, ein vorzüglicher Markt dafür ist jetzt Calcutta. Die indische Baumwolle macht also einen 4000 Meilen langen Weg, um in Manchester versponnen, in Eberfeld gefärbt, und von da wieder als rothes Garn in Calcutta verkauft zu werden. , M e d i c i n i s ch e Musik. Ein französischer Orgelbauer erfand ein Elixir zur Besserung der menschlichen Stimme, und gibt nun das musikalische Talent mit Löffeln ein. Ein gedruckter Prospekt gibt die Art und Weise an, ersucht aber, sich vorher zu entschließen, ob man einen guten Baß, einen Tenor oder Bariton haben will, im Elixir sind sie sämmtlich zu finden, nur ist die Benutzung verschieden, denn der Baß erfordert Pillen, der Tenor Infusionen, und das Falset erhaltet man durch Tropfen im Zucker. Merkwürdige Quelle. An den Ufern Oil-Creek in Nordamerika befinden sich mehrere Wasserquellen, auf deren Oberfläche beständig Oehl.fließt, das von den Bewohner der Gegend in den Lampen gebrannt, auch sonst auf mancherlei Art benutzt wird. Steuer-Erklärung. Ein Bühnendichter, der btos von seinen literarischen Arbeiten lebte, sollte sich zum Behnfe der Einkommensteuer über seine Einnahme erklären, Er that cs folgendermaßen: Endesgcnannter lebt nur von dem yixschmacke des hiesigen Publikums, und kann sich daher zu nichts Bestimmten erklären. Moscheen. Herr von Ribeaupierre , f. russischer Bothschaftcr zu Constantinopel erhielt im vorigen Jahre von dem Großherrn einen Ferman, welcher ihn ermächtigt, alle Moscheen der Hauptstadt, selbst die Sophien-Moschee miteinbegriffen, besuchen zu dürfen. Dieß ist das erste Mal, daß solches Zugeständniß einem Christen ertheilt wurde. 8*