Folia archeologica 10.

L. Vértes: Beiträge zur Abstammung des ungarischen Szeletien

13 Schon früher haben wir den Gedanken aufgeworfen, daß in der — allge­mein angenommenen — Abstammung des ungarischen Szeletien aus dem Moustérien die Kecskésgalyaer Höhle (und nun können wir hinzufügen: auch die Ballavölgyer Höhlung) eine entscheidende Stellung einnehmen. 2 4 An Hand der zitierten Studien bekräftigen wir unsere frühere Meinung mit der Be­hauptung, daß wir die Funde dieser zwei Höhlen — konkreter typologischer und stratigraphischer Beobachtungen zufolge — als mousteroide Vorläufer des Bükker Frühszeletien betrachten. 2 5 Es bleibt die Frage offen, wie der detaillierte Verlauf der Abstammung konkret nachgewiesen werden kann. Bekanntlich gibt es bei den Werkzeugen der Moustérienkulturen eine unverkennbare „Neigung" zur Bearbeitung der Oberfläche und zur Herstellung von bifazialen Werkzeugen. 2 6 Im Falle des reichsten ungarischen Moustérienfundortes, der Subalyuk-Höhle, kommen beide Tendenzen zur Geltung. An den Hochmoustérienwerkzeugen (Klingen­spitzen und Schaber) kann oft genug eine Bearbeitung der Oberfläche fest­gestellt werden. Im Spâtmoustérien ist dies eher an den wenigen „degene­rierten Faustkeilen" und den Disken wahrzunehmen. Die bifaziale Arbeits­kantenausbildung ist an einzelnen Tata-Schabern zu beobachten. Die Arbeits­kanten verlaufen hier gerade, im Falle der Disken jedoch im Zickzack, es fehlt hier aber die Stufenretusche. Für den Zusammenhang der zwei Kulturen wäre ein anthropologischer Beweis stichhaltiger, als der morphologische, doch steht uns ein solcher leider nicht zur Verfügung; dieser Mangel rührt auch an viele, in ganz Europa um­strittene und noch offenstehende Fragen. Wir haben den Versuch gemacht, die mathematisch-statistische Darstel­lungsmethode Bordes' 2 7 anzuwenden, doch sind die Werkzeuge der Subalyuk­Höhle, wie auch der Szeleta-Höhle zahlenmäßig zu gering, um diese Methode erfolgreich anwenden zu können; übrigens kann so nur die Abweichung der einzelnen Werkzeuge untereinander ausgedrückt werden, uns interessiert jedoch, der genetischen Frage wegen, der technologische Zusammenhang. Wir haben einen Versuch unternommen, diesen Zusammenhang an Hand des Winkels, den die Retuschierung mit der Unterseite bildet, festzustellen. Der Retusche-Winkel von Werkzeugen verschiedener Kulturen wurde gemessen, wobei sich folgende Resultate ergeben haben: Durchschnitt des Winkels bei Moustérienwerkzeugen: 56—57° (Subalyuk, „Hoch" und „Spät" zusammen) 2 4 Vértes L., Problematika Szeletienu — Szeletien Problemkreis, Slov. Arch. 4 (1956) S. 338. 2 6 In den Arbeiten der Szeletien-Forscher wird im allgemeinen angenommen, daß das ungarische Szeletien aus dem Tataer Moustérien stammt. S. neuestens Freund, G., Die Blattspitzen des Paläolithikums in Europa. (Bonn 1952); Prosefe, F., Szeletien na Slovensku. Slov. Arch. 1 (1953) S. 133—194. Wir wenden uns eben deshalb gegen diese Annahme, da von den Tataer bifazialen Werkzeugen eben die mit stumpfer Retuschierung hergestellte, im Zickzack verlaufende Ausbildung der Arbeitskanten fehlt, die eine der wichtigsten Charakterzüge der Bükker Frühsze­letienblattspitzen ist, und die auch bei den hier beschriebenen Werkzeugen z. T. anzutreffen ist. Diese Art der Retuschierung entsteht dadurch, die einzelnen Schläge der Stufenretuschierung nicht von der einer Seite her nebeneinander gesetzt werden, sondern abwechselnd von der Vorder­und von der Rückseite her augeführt werden. 2 6 Zotz, L. F., Altsteinzeitkunde Mitteleuropas. (Stuttgart 1951) S. 76. 2 7 Bordes, F. — Bourgon, M., Le complexe moustérien. L'Anthr. 55(1951) S. 1—23.

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