Folia archeologica 10.
L. Vértes: Beiträge zur Abstammung des ungarischen Szeletien
12 L. V értes einzelnen Stellen 90°, die unpatinierte Oberfläche unterscheidet sich von dem Korrosionsgrad des Ganzen. Die Unterseite ist glatt, die Vorderseite, mit Ausnahme der Basis, ebenfalls. Die Schlagbasis wurde entfernt, der Schlagbuckel wurde durch Ablösen eines großen Abschlages verdünnt. 30,5 X X22X 8 mm; Obsidian. Inv. No. Pb. (Taf. I. 7.). Die Untersuchung der Funde aus der Ballavölgyer Höhlung stellt den Forscher vor schwerwiegende Fragen. Sowohl der Fauna, als auch den Funden zufolge müssen zwei Kulturschichten angenommen werden; uns interessieren nun die Schicht mit Megaloceros und den Laubbäumen und die 9 Obsidianwerkzeuge, die unserer Meinung nach aus dieser stammen müssen. Schon das Rohmaterial der Werkzeuge muß auffallen. Obwohl der Obsidian im ungarischen Paläolithikum nicht ungewohnt ist (im Aurignacien und im Szeletien sind etwa 10°/ o der Funde aus diesem Rohmaterial), kann die Häufigkeit, die im Falle dieser zwei Fundstätten wahrgenommen wird, vorläufig nicht erklärt werden. Ebenso problematisch sind die beiden Grade der Korrosion bei den Werkzeugen der Ballavölgyer Höhlung. Es scheint, als ob die Moustérienwerkzeuge einen Korrosionsprozess überstanden hätten. Wir glauben, er geht auf eine Schichtenbewegung infolge der Kryoturbation zurück. Die bereits fertigen Werkzeuge, die diesen Prozess überstanden, wurden in einer späteren Periode umgestaltet. Da wir jedoch bisher kein System kennen, dem wir den Zeitpunkt der Kryoturbation, die auf die Materialien unserer Höhlen Einfluß hatte, gefunden haben, können wir diese Angabe chronologisch nicht auswerten. Die Werkzeuge der Ballavölgyer Höhlung sind auch typologisch eigenartig. Mit Ausnahme eines Fragmentes einer Moustérienspitze sind alle übrigen Schaber, doch nicht mit der üblichen Moustérienretuschierung versehen, sondern mit einer steileren, den Kratzern sich nähernden Bearbeitungsweise. Eine solche, fast ausschließliche Übermacht von Schabern ist für das ungarische Spätmousterien charakteristisch. Dieser Fund gehört aber dennoch nicht dem Moustérien an: die Bearbeitung der Oberfläche und stellenweise die bifaziale Bearbeitung, die technologisch fast mit der Arbeitskantenausbildung des Frühszeletien identisch ist, weichen weitgehend vom Moustérien ab. Auch darin unterscheiden sich diese Werkzeuge von den Moustérienschabern, daß die letzteren gerade oder bogenförmig, bestenfalls spitz sind, während es in der Ballavölgyer Höhlung hauptsächlich Raclette-artige, rundherum retuschierte Werkzeuge mit unsicherem Umriß gibt. Zusammenfassend: wir haben es hier mit Werkzeugen einer Kultur zu tun, die typologisch mit dem Moustérien, hinsichtlich der Bearbeitungsweise mit dem Szeletien zu vergleichen ist. Wir beschrieben das paläolithische Fundmaterial zweier Bükker Fundstätten, mit ihren, von manchem Standpunkt mangelhaften stratigraphischen Angaben und versuchten, soweit dies möglich war, ihre Altersbestimmung zu revidieren oder neu aufzustellen. Es scheint, als ob die Funde in beiden Fällen Ausfüllungen entstammten, die der W 1 Vereisung bezw. im Falle der Kecskésgalyaer Höhle z. T. vielleicht dem W 1/2 Interstadial angehören. Die Werkzeuge weisen in beiden Fällen eigentümliche Zusammenhänge sowohl mit dem Moustérien, als auch mit dem Frühszeletien auf, doch sind sie mit keiner dieser beiden Kulturen zu identifizieren.