Evangélikus Élet, 2007 (72. évfolyam, 1-52. szám)

2007-11-04 / 44. szám

‘Evangélikus ÉletS NÉMET OLDAL 2007. november 4. !► 7 Der Thesenanschlag an der Tür der Wittenberger Schlosskirche Tatsache oder Fiktion? Martin Luther „schlug seine Thesen gegen den Ablass am Vortag von Allerheiligen 1517 öffentlich an der Kirche an, die an das Schloss von Wittenbeig grenzt“ - schrieb sein langjähriger Freund und Mitreforma- tor Philipp Melanchthon 1546 in seiner Lu­therbiographie. Auf dieser Überzeugung ruhten die Reformationsfeiem bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. 1957 trat Hans Volz mit der Behaup­tung hervor, Luther habe seine Thesen nicht am 31. Oktober, sondern am 1. No­vember angeschlagen. Er berief sich auf eine Datierung Luthers: „Wittenberg, am Tag Allerheiligen, zehn Jahre nach Ver­nichtung der Ablässe.“ Damit löste er ei­ne Diskussion aus, die manche bis heute am Thesenanschlag zweifeln lässt. Kurz danach, im Jahre 1961 behaupte­te der römisch-katholische Kirchenhis­toriker Erwin Iserloh, der Thesenanschlag habe überhaupt nicht stattgefunden. Melanchthon sei kein Augenzeuge, denn er sei erst ein Jahr später nach Witten­berg gekommen. Luther hatte am 31. Oktober 1517 Erzbischof Albrecht von Mainz brieflich gebeten, er möchte ange­sichts der Missbräuche im Ablasshandel seine Ablassinstruktion zurückzuzie­hen. Er könnte aus seinen beiliegenden Disputationen erkennen, wie zweifel­haft die Ansicht die Ablassverkäufer über die Ablässe sei. Iserloh folgerte, Lu­ther habe als gehorsamer Mönch eine Reaktion abgewartet, daher seine The­sen nicht angeschlagen. Fest steht nun Folgendes: Luthers 95 Thesen hatten die Form, wie 1517 in Wit­tenberg zur Disputation eingeladen wur­de: Thesenplakate wurden angeschlagen, versendet, disputiert, wenn sie der Quali­fikation dienten, oder sich Disputanten meldeten. Keiner wollte aber über die neue Wittenberger Theologie disputie­ren, es geschah erst 1519 in Leipzig. Dass Luther seine 95 Thesen selbst angeschlagen hat, ist eher unwahr­scheinlich, difin der Regel der Universi­tätsdiener die Aushänge vomahm. Hauptsache: der Inhalt der Thesen und die reformatorische Botschaft dienen für die Protestanten der Welt auch heu­te noch als wichtiger Wegweiser zum christlichen Leben. M Nach der Schrift von Prof. Dr. Helmar Junghans 95 Thesen Aus Liebe und rechtem Fleiß, die Wahrheit an den Tag zu bringen, wird unter dem Vorsitz des Ehrwürdigen Vaters Martin Luther, der freien Künste und heiligen Theo­logie Magister und derselbigen ordentlichen Lehrers, zu Wittenberg über folgende Sätze disputiert werden. Darum bittet er, dass diejenigen, so gegenwärtig sich mit uns davon nicht unterreden können, solches abwesend durch Schrift tun mögen. Im Na­men unsere Herrn Jesu Christi. Amen. I. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: Tut Buße etc., will er, dass das gan­ze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine (stete) Buße sei. 36. Ein jeder Christ, der wahre Reue und Leid hat über seine Sünden, der hat völlige Ver­gebung von Strafe und Schuld, die ihm auch ohne Ablassbrief gehört. 94­Man soll die Christen ermahnen, dass sie Christo, ihrem Haupte, durch Kreuz, Tod und Hölle nachzufolgen sich befleißigen. 95­Und also mehr durch viel Trübsal als durch falschen Frieden ins Himmelreich einzu­gehen sich getrosten. ■ Martin Luther „Billige Gnade“ - nicht nur am Reformationstag zu verwerfen Das vielleicht bekannteste Buch Bonho- effere, Nachfolge - es ist vor kurzem auf ungarisch in der zweiten Ausgabe er­schienen - sucht und präsentiert die komplexe Antwort auf drei im Vorwort gestellte Fragen: „Was hat Jesus uns sa­gen wollen? Was will er heute von uns? Wie hilft er uns dazu, heute treue Chris­ten zu sein?" Die Kritik ist hier am Anfang noch nicht so scharf wie später in den einzel­nen Kapiteln: „Nicht als wäre die Predigt unserer Kirche nicht mehr Gottes Wort, aber wieviel unreiner Klang, wieviele menschliche, harte Gesetze und wieviele falsche Hoffnungen und Tröstungen trüben noch das reine Wort Jesu und er­schweren die echte Entscheidung!“ Die bekannteste falsche Hoffnung und Tröstung ist die vielzitierte „billige Gnade“, die Verzerrung der Lutheri­schen Rechtfertigungslehre: „Billige Gnade heißt Rechtfertigung der Sünde und nicht des Sünders. Weil Gnade doch alles allein tut, darum kann alles beim al­ten bleiben.“ Die Rechtfertigung des Sünders ist eine Lehre geworden, und aus einer entleerten Lehre kann nur eine leere Praxis kommen: „Billige Gnade ist Predigt der Vergebung ohne Buße, ist Taufe ohne Gemeindezucht, ist Abend­mahl ohne Bekenntnis der Sünden, ist Absolution ohne persönliche Beichte. Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz, Gnade ohne den le­bendigen, menschgewordenen Jesus Christus.“ Implizit nimmt Bonhoeffer hier schon die späteren Kapitel, also die Alternative, die Richtigstellung des Le­bens der einzelnen - lutherischen - Christen und ihrer Gemeinschaft, der - lutherischen - Kirche, vorweg. Explizit aber richtet Bonhoeffer scharfe Kritik an denjenigen, die sich auf Luther beziehen, die tiefere Zusammenhänge sei­ner Erfahrungen, seines Lebens aber - mehr oder weniger unbewusst - überse­hen: Luther wollte im Kloster mit vollem Einsatz Nachfolger Christi werden. Aber die Nachfolge Christi kann nicht als die Sonderleistung von einzelnen betrachtet werden, sondern ist die selbstverständli­che Pflicht aller Christen: „Die Selbstver­leugnung des Nachfolgenden enthüllte sich hier als die letzte geistliche Selbstbe­hauptung der Frommen.“ Man könnte es so formulieren: Bonhoeffer kämpft hier gegen eine falsche Nivellierung. Für Lu­ther musste die klösterliche Sonderlei­stung „das Notwendige und Gebotene für jeden Christen in der Welt“ werden. Für viele der späteren Lutheraner wird schon die Einebnung in die Welt als auf der Hö­he der klösterlichen Sonderleistung be­findlich betrachtet. Also: Luther hat die Nachfolge vom Kloster auf die Welt aus­gedehnt, seine Schüler haben die Nachfol­ge in der Welt wieder auf das Kloster ein­geengt. Ja, es ist wahr, die Gnade ist um­sonst. Aber dieses „Umsonst“ ist parado­xerweise nicht etwas weniger, sondern unendlich viel mehr wert als das „Billige“. Die Diskrepanz zwischen dem Wort der Rechtfertigung und einem untätigen Hören auf dieses Wort kann nur mit dem berühmten Doppelsatz aufgelöst werden: „Nur der Glaubende ist gehorsam, und nur der Gehorsame glaubt.“ Die erste Hälfte ist selbstverständlich, also: keine Werkgerechtigkeit, Rechtfertigung er­folgt allein aus dem Glauben. Doch ist auch die zweite Hälfte des Satzes nicht so widersinnig und unmöglich, wie es einem normalen gut(bürgerlich)en un­tätig hörenden Kirchenmitglied scheint: „Es muß Gehorsam geleistet werden ge­gen einen konkreten Befehl, damit ge­glaubt werden kann. Es muß ein erster Schritt des Gehorsams gegangen wer­den, damit Glaube nicht frommer Selbstbetrug, billige Gnade werde. Es liegt an dem ersten Schritt. Er ist von al­len folgenden qualitativ unterschieden.“ Und wenn es immer noch nicht ver­ständlich genug wäre, zwei neutesta- mentliche Beispiele machen es eindeu­tig: „Der erste Schritt des Gehorsams muß den Petrus fort von den Netzen, aus dem Schiff heraus, muß den Jüngling ‘ aus dem Reichtum führen.“ (Ebd. vgl. Luk. 5,1-11-9: Matth. 19,16-26) Das Merkmal des einfältigen Gehor­sams, also, der Nachfolge, ist das Kreuz. Das Kreuz wird nicht vom Jünger, wie etwa bei einer Anprobe, gewählt, son­dern: „Er wird es empfangen, wenn er in die Nachfolge des leidenden Herrn ein- tritt, er wird in der Gemeinschaft Jesu sein Kreuz erkennen.“ Luther kann auch heute wie damals keine Entlastung geben: „Der Jünger ist nicht über seinem Meister. Nachfolge ist passió passiva. Leidenmüssen. So hat Luther unter die Zeichen der rechten Kirche das Leiden zählen können.“ (Ebd.) „Das also ist die Verheißung für die Nachfolgenden, Glieder der Kreuz­gemeinde zu werden, Volk des Mitdere, Volk unter dem Kreuz zu sein.“ Die Verbilligung der Gnade bleibt ei­ne immer aktuelle Kritik an denjenigen - Lutheranern oder anderen -, die mit der wörtlich korrekten Berufung auf die Gnade gerade die Mitgliedschaft in der Gemeinde des Kreuzes vermeiden oder wenigstens verschieben wollen. Man kann seine Kompromisse mit der Welt den Mitmenschen mehr oder weniger verständlich machen, hat aber keinen Grund, sich vor Gott ihres Erfolges (Er­trags) zu rühmen. (Die Zitaten stehen im Buch, Nachfol­ge von Dietrich Bonhoeffer, DBW 4,3. Auf­lage 2002, 2. Auflage der Taschenbuch­ausgabe, Gütersloh 2005.) ■ PÉTER SZENTPÉTERY (Der Verfasser ist Dozent an der Theologischen Universität [Kirchliche Hochschule] der ELKU in Budapest. Das obige Schreiben ist eine leicht überarbeite Fassung des ersten Teils eines Vor­trags: Jst die »Nachfolge* eine radikale Kritik des Luthertums?” - gehalten am internationa­len Symposium Jfanhoeffer und Luther” der VELKD, Pullach, 24-26. März 2006) Ein Gespräch mit mir selbst am Tag der Reformation „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So stehet nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Galater 5,1)- „Was bedeutet für dich der Refor­mationstag?"- „Durch die Reformation ist uns Je­sus, der Gekreuzigte nachdrücklich vor Augen gestellt worden.“- „Und was soll ich mit diesem toten Jesus anfangen?“- „Durch Jesus erlange ich Freispruch von der ewigen Verdammnis, die mir droht, wenn Gott im Gericht am jüngsten Tag Rechenschaft über mein Leben for­dert und mir tötende Schuld durch ständi­ges Übertreten seiner Gebote nachweist.“- „Wie willst du einen Freispruch be­gründen?“- „Jesus hat mein Dasein unter Gottes Geboten geführt. Das übereinstimmende Zeugnis von Freund und Feind: Er war versucht gleich wie ich, doch ohne Sünde! Daher kann er meine todbringende Schuld auf sich nehmen, und so wandelt sich mein Tod zur Durchgangspforte zum Leben in Gottes unvergänglicher Welt.- „Nur eigene Leistungen können einen Anspruch auf einen Platz in Got­tes Reich begründen! Sperret du dich gegen Jesu bedingungslose Gnade? Ist dir deine Erlösung durch ihn völlig selbstverständlich und sicher? Brauchst du nicht nach dem gnädigen Gott zu fragen? Wo sind denn deine Leistungen, die dich im Gericht vor Gott retten könnten?“- „Für mich führt nur durch Jesus der Weg ins Leben! Darum geht es, wenn ich den Reformationstag begehe.“ M Nach Feste Burg

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