Ernst D. Petritsch: Ergänzungsband 10/1. Regesten der osmanischen Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv. Band 1: 1480-1574 (1991)

Einleitung

12 Emst Dieter Petritsch blieb lediglich der Osten, die Provinz Siebenbürgen. Der Versuch Ferdinands I., im Jahre 1551 seinen eigenen Einfluß auf Siebenbürgen auszudehnen, indem er Johann Sigismund Zápolya sowie dessen Mutter Isabella zum Verzicht auf die Regierungs­gewalt zu bewegen versuchte, scheiterte kläglich. Die Siebenbürger wurden im darauf­folgenden Jahr durch die osmanische Armee sehr unsanft an ihre Pflichten als tribut­pflichtige Vasallen erinnert. Im Mittelpunkt der ersten Phase in den bilateralen Beziehungen bis zum Jahr 1541 standen Ferdinands diplomatische Bemühungen, den Osmanen gegenüber seine eige­nen Erbansprüche auf Ungarn klarzumachen beziehungsweise, als sie darauf einzuge­hen nicht bereit waren, die Osmanen zum Verzicht auf ihre Herrschaftsansprüche zu bewegen. Alle diese diplomatischen Versuche waren letztlich erfolglos, auch das An­sinnen Ferdinands, von den Osmanen zum Nachfolger Johann Zápolyas eingesetzt zu werden, - und dies trotz wiederholter Gesandtschaften und erheblicher finanzieller Ver­sprechungen für den Fall eines osmanischen Verzichts auf Ungarn. Einen zumindest bescheidenen Erfolg erzielten 1541 die habsburgischen Gesandten Salm und Herber­stein, die sich mitten im Krieg in das osmanische Heerlager vor Ofen wagten. Das Er­gebnis ihrer Mission war, daß der befürchtete Vormarsch in Richtung Wien unterblieb und daß sich die Osmanen vorläufig mit ihren Eroberungen zufrieden gaben. Der habsburgische Versuch, Buda und damit ganz Ungarn doch noch zu erobern, ende­te 1542 mit einem militärischen Debakel. Auf der anderen Seite eroberten die Osmanen 1543/44 alle diejenigen Festungen, deren Abtretung sie zwei Jahre zuvor den Gesandten Salm und Herberstein gegenüber gefordert hatten, und waren damit vorerst saturiert. Damit war der Weg für diplomatische Friedensverhandlungen geebnet. Diese Ver­handlungen führten zunächst im Oktober 1545 zur Vereinbarung einer einjährigen Waf­fenruhe und nach weiteren zähen, allerdings nicht allzu intensiven Verhandlungen im Juni 1547 zu einem fünfjährigen Friedens- bzw. Waffenstillstandsübereinkommen. Derartige Vereinbarungen wurden osmanischerseits stets zeitlich limitiert, so wie dies bereits der Prophet Muhammad gehandhabt hatte. Nach islamischem Recht dürfen nämlich mit „Ungläubigen“ keine Verträge geschlossen werden, Abkommen mit Chri­sten demnach keinen endgültigen, sondern nur provisorischen Charakter besitzen. Frie­de im engeren Sinn — ausgenommen die Unterwerfung der „Ungläubigen“ unter den Machtbereich des Islam - war undenkbar. Dennoch ergab sich für einen muslimischen Staat des öfteren die Notwendigkeit, Friedensverträge mit christlichen Staaten zu ver­einbaren. Der Vertrag von 1547 wurde mit fünf Jahren, alle anderen im Laufe des 16. Jahrhunderts mit den Habsburgéin vereinbarten Abkommen jedoch mit acht Jahren be­grenzt. Überdies waren alle Verträge des 16. Jahrhunderts an die Bedingung geknüpft, daß die Habsburger den Osmanen jährlich erhebliche Zahlungen - je nach Standpunkt „Tribut“ oder „Ehrengeschenk“ genannt - zu leisten hatten. Eines enthielten alle diese Verträge freilich nicht, nämlich eine exakte Festlegung einer gemeinsamen Grenzlinie. Die Grenze veränderte sich ständig, sie war unter anderem abhängig von Stärke sowie Durchsetzungskraft der Garnisonen im beiderseitigen Fe­stungsgürtel. Von den ungarischen Magnaten, die sich durchwegs in die habsburgisch dominierten Teile Ungarns zurückgezogen hatte, wurde das Vorhandensein einer Gren­ze inmitten des Königreichs Ungarn überhaupt negiert. Von ihren ehemaligen Unterta­nen im „besetzten“ Ungarn hoben sie weiterhin die althergebrachten Steuern ein, wäh­rend dieselben Bauern osmanischerseits natürlich ebenfalls besteuert wurden. Daß die bedauernswerte Bevölkerung dieser Gebiete neben Kriegseinwirkungen, ununterbro­chenen Raubzügen und Überfällen eine derartige doppelte Besteuerung auf Dauer ein­fach nicht verkraften konnte, darf uns nicht verwundern, darf fairerweise aber auch nicht einer - angeblichen - osmanischen „Ausbeutung“ oder „Mißwirtschaft“ zu­

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