Ernst D. Petritsch: Ergänzungsband 10/1. Regesten der osmanischen Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv. Band 1: 1480-1574 (1991)
Einleitung
Regesten der osmanischen Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv 13 geschrieben werden. Diese Steuereintreibungen - Raubzügen nicht unähnlich und nur unter starker militärischer Bedeckung überhaupt möglich - werden freilich in der modernen ungarischen Historiographie als „Befreiungskämpfe“ glorifiziert; die dafür hauptverantwortlichen ungarischen Magnaten operierten jedenfalls vom relativ sicheren habsburgischen Territorium aus. Seit dem Waffenstillstand des Jahres 1547 waren die Habsburger durch ständige Residenten an der Pforte vertreten; damit beginnt eine neue Phase in den diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Osmanischerseits wurden diese Residenten als Bürgen für die Einhaltung der Waffenruhe betrachtet, und da sich an den gemeinsamen Grenzen fast ununterbrochen leichtere oder schwerere Zwischenfälle ereigneten, kam es des öfteren vor, daß die habsburgischen Diplomaten unter Hausarrest gehalten oder sogar eingekerkert wurden. Den hinfort nur noch sporadisch nach Konstantinopel reisenden Gesandtschaften kam seit 1547 geringere Bedeutung zu; sie hatten etwa die vertraglich festgesetzten Geldbeträge in der Höhe von 30.000 Dukaten zu überbringen, wozu freilich noch weitere erhebliche Summen an Geschenken für hohe Würdenträger kamen. Ferner hatten sie beispielsweise Instruktionen für den Residenten zu überbringen oder diesen bei den Verhandlungen mit der osmanischen Staatsspitze zu unterstützen. Aus welchen Schichten rekrutierten sich die habsburgischen Gesandten und Residenten? In der ersten Phase der diplomatischen Beziehungen dominierten erbländische Adelige, Sigismund Weixelberger (1528), Joseph von Lamberg (1530), Niklas von Salm und Sigismund von Herberstein (1541), neben ungarischen (Johann Hoberdanacz, 1528) und kroatischen (Nikolaus Jurisic, 1530) Adels- bzw. Militärpersonen oder etwa dem Niederländer Cornelius D. Scepper (1533). Bei den Friedensverhandlungen 1545-1547 fällt die Dominanz der Italiener auf: Der Propst Hieronymus Adorno, der Jurist und Poet Nicoló Secco sowie der Sekretär Johann Maria Malvezzi, der von 1547 bis 1553 die Habsburger als erster ständiger Resident an der Pforte vertrat, sind hier zu nennen. Mit dem Philologen, Theologen und Diplomaten Gerhard Veltwyck (1545^-7) setzt die Reihe jener Niederländer in habsburgischen Diensten ein, aus der sich in der Nachfolge Malvezzis die ständigen Residenten rekrutierten, nämlich Ogier Ghislain de Busbecq (1554-1562), Albert de Wijs (1562-1569) und schließlich Karl Rijm (1570-1573); seit 1573 übte wieder ein erbländischer Adeliger, David von Ungnad, das Amt eines habsburgischen Residenten aus. Unter den kurzfristig nach Konstantinopel reisenden Gesandten sind in dieser Periode der ungarische Bischof und Diplomat Anton Verancsics (1553-55, 1567/68), der Ungar Franz Zay, Kommandant der Donauflotte (1553-55), der steirische Adelige Christoph von Teuffenbach (1567/68) oder etwa die Hofbediensteten Kaspar Minkwitz, Paul de Palina und Bartholomäus Haniwald anzuführen. Osmanischerseits sind erst relativ spät eigene Vertreter an den Hof der Habsburger gesandt worden, abgesehen natürlich von Kurieren ohne diplomatische Aufgaben und Kompetenzen. Es fällt auf, daß als osmanische Gesandte durchwegs Pfortendolmetscher herangezogen wurden, nämlich Ibrahim Bey (1562, 1568), Hidäyet Aga (1565) und der geborene Wiener Mahmud Bey (1549, 1574/75), der während seiner Mission am Hofe zu Prag verstarb (3. April 1575). Nicht unerwähnt bleiben soll die Bedeutung, welche den Statthaltern von Ungam, dem jeweiligen Beylerbeyi von Budin, im diplomatischen Verkehr zwischen Habsburgéin und Osmanen zukam. Er leitete meist mittels eigener Kuriere die Korrespondenzen nach Wien weiter, gewährte aber etwa auch den habsburgischen Gesandten sicheres Geleit auf ihrer Reise an den Bosporus. Eines der vordringlichsten Ziele der habsburgischen Diplomatie war es, Frieden oder Waffenstillstand mit den Osmanen abzuschließen; ein Zustand, der freilich meist nicht