Friedrich Würthle: Ergänzungsband 9. Dokumente zum Sarajevoprozeß. Ein Quellenbericht (1978)

Vorwort

VORWORT Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung beauftragte den Verfasser, die Glaubwürdigkeit historischer Dokumente, dargestellt an den österreichischen und serbischen Akten aus der Geschichte und Vorgeschichte des Attentats von Sarajevo, zu untersuchen. Um dem erweiterten Umfang zu entsprechen, wählte ich für die Drucklegung den Titel Dokumente zum Sara­jevoprozeß. Ein Quellenbericht. In meinem Buch Die Spur führt nach Belgrad — Die Hintergründe des Dra­mas von Sarajevo 1914l) charakterisierte ich die Dokumentenlage folgen­dermaßen: „Der Kriminalfall Sarajevo wurde immer wieder mit der Kriegsschuldfrage verquickt. Das behinderte seine Erforschung. Wichtiges Quellenmaterial galt als Kriegsbeute. Die kriegführenden Parteien bemächtigen sich - um der Wahrheit auf den Grund zu kom­men und den Gegner zu kompromittieren oder um die Wahrheit zu vertuschen und nicht kompromittiert zu werden, je nach Einstellung — im Ersten und Zweiten Welt­krieg (auch in den Zwischenkriegsjahren) unter Mißachtung des sogenannten Prove­nienzprinzips öffentlicher und privater Archive. Man verschleppte sie, holte sie wieder zurück, verschleppte sie neuerdings, wobei eine heillose Verwirrung entstand und wertvolle, auf das Attentat, seine Vor- und Prozeßgeschichte, auf wichtige politische und militärische Persönlichkeiten bezugnehmende Dokumente in Verlust gerieten und natürlich auch Gelegenheit gegeben war, Papiere von zentralster Bedeutung einfach verschwinden zu lassen. Es gab auch große Bestände, die auf der Flucht verloren gin­gen oder angesichts des herannahenden Feindes ins Feuer geworfen wurden. Die exakte Erforschung der Archivaliengeschichte würde einem Forscherteam jahrelang Arbeit geben.“ Hier soll versucht werden, das unmittelbar auf das Attentat bezugnehmende Grundlagenmaterial zu bestimmen, den Weg, den es genommen hat, zu re­konstruieren, einer Quellenkritik zu unterziehen und alle Hinweise anzufüh­ren, die einer weiteren Erforschung des Gesamtkomplexes dienlich sein könnten. Das erste Kapitel ist der Vorgeschichte des Attentats, besonders der ,Mlada Bosna“, gewidmet. Die diesbezüglichen Aktenbestände hat der Autor im Sa- rajevoer Staatsarchiv (ABH) durchforscht. Es sind in der Hauptsache Akten des k. u. k. Gemeinsamen Finanzministeriums2) und der Landesregierung für Bosnien und die Herzegowina3) in Sarajevo. Die Erhebungen der k. u. k. Be­hörden nach dem Attentat über die Tätigkeit der serbischen Vereine in den *) (Wien 1975) 278. 2) Siehe unten S. 104 f. 3) In Österreich-Ungarn war die amtliche Schreibweise in bewußter Anlehnung an die serbokroatische Sprache: Hercegovina. Hier wird (in Analogie zu „Bosnien“) die deutsche Form „Herzegowina“ verwendet.

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