Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

VI. Die Angestellten - 2. Die Anstellungserfordernisse der Beamten

317 führt“ 46), jeder müsse „wissen, welche schwere pflichten das ihm anver­traute amt gegen gott, gegen seinen landesfürsten, gegen dessen erblän­der und gegen alle diejenigen auf leget, für deren wohl durch sein referat zu sorgen, seine Obliegenheit geworden ist“ 47 48). „Wer dem Staat dienen will und dient, muß sich gänzlich hintansetzen“, schreibt Joseph in seinem Ende 1773 erlassenen ,Grundsätzen für jeden diener des Staates“, dem so­genannten Hirtenbrief. „Der nicht liebe zum dienst des Vaterlandes und seiner mitbürger hat“, heißt es an anderer Stelle dieser Grundsätze, „der für erhaltung des guten nicht von einem besonderen eifer sich ent­flammt findet, der ist für geschäfte nicht gemacht und nicht werth, ehren- titeln zu besitzen und besoldungen zu ziehen“ 4S). Man darf annehmen, daß alle die genannten Eigenschaften auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der Kabinettsangestellten bildeten, wozu noch das Erfordernis von Sprachkenntnissen kam. Merkwürdig ist, daß niemals eine Normie­rung der Anstellungserfordernisse erfolgte. In einer Instruk­tion vom 14. Jänner 1822 für den Kabinettsdirektor setzte Kaiser Franz fest: „Wodurch sich aber die Kabinettsbeamten von allen Übrigen aus­zeichnen müssen, ist unbescholtene Moralität, die strengste Verschwiegen­heit, Enthaltung von allen Verbindungen, die zu irgendeinem Verdachte Anlaß geben könnten; angestrengter Fleiß, der weit entfernt, sich an Stunden zu binden, nicht ruht, bis Alles vollkommen aufgearbeitet ist; unbeschränkte Anhänglichkeit an Meine Person; Verträglichkeit und an­ständiges Betragen sowohl gegen die Mit-Beamten, als gegen die Par­teien, denen Auskünfte und Bescheide zu ertheilen sind. Diese Eigen­schaften sind nicht nur zur Förderung Meines Dienstes unumgänglich nothwendig, sondern ich fordere sie auch aus dem Grunde um so uner­läßlicher, weil von ihnen die öffentliche Meinung abhängt, die sich von der Bestellung Meines Kabinets und von der Auswahl Meiner Mich zu­nächst und am meisten umgebenden Diener im Publikum bildet und die nur dann günstig sein kann, wenn dieses von Mir gewählte Personal in der Erfüllung seiner Bestimmung und in der gänzlichen Makellosig­keit aller seiner Glieder den Staatsbeamten der übrigen Behörden stets zum Muster dienet“ 49). In einem Vortrag vom 19. Juni 1866 fügte Kabi­nettsdirektor Braun „als nicht minder wesentliche Bedingungen“ an: „zu­rückgelegte juridisch-politische Studien, Erfahrung im Konzeptsdienst, Kenntnisse des jeder Behörde zugewiesenen Geschäftskreises, gute Schrift, 46) Handschreiben an die Präsidenten der Zentralstellen 16. 3. 1781. Pkt. 3, Walter a. a. O., Abt. II., Bd. 4, S. 1. Joseph , richtet diese Forderung an die Präsidenten; man darf sie aber als für alle Beamten gedacht werten. Diese und die folgenden Maximen Josephs sollen hier wiederholt Werden. 47) Instruktion für die vereinigten Hofstellen 1783, F. Walter, ebenda S. 49. 48) Pkt. 5. 3. F. Walter, ebenda, S. 125 f. 49) Die Instruktion ist weder im Original, noch in anderer Form überliefert; der angeführte Passus ist inseriert in Brauns Vortrag vom 19. 6. 1866, s. Anm. 62.

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