Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

VI. Die Angestellten - 3. Die nationale Zugehörigkeit und die Sprachkenntnisse der Beamten

318 Sprachkenntnisse, gefälliges Äußeres, ruhiges taktvolles Benehmen“50). In der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs — für die früheren Zeiten fehlen die Belege, doch wird es kaum anders gewesen sein, läßt sich in der Mehrzahl der Fälle nachweisen, daß der Kabinettsdirektor sich bei Neubesetzungen mit den Ministerien, denen er den Nachwuchs mit Rück­sicht auf den Bedarf entnehmen wollte, in Verbindung setzte und Vor­schläge erbat51). 3. Die nationale Zugehörigkeit und die Sprachkenntnisse der Beamten Daß bei den Einberufungen in die Kabinettskanzlei die Sprachkennt­nisse besonders berücksichtigt wurden bzw. für die Auswahl maßgebend waren, läßt sich ebenfalls zahlreich belegen. Unerläßliche Voraussetzung war die vollkommene Beherrschung der deutschen Sprache. Erst spät, es hängt das mit der Berücksichtigung der einzelnen Sprachnationen, wel­che die Monarchie bevölkerten, zusammen, kam es vor, — es war dies 1912 und 1913 — daß zwei der deutschen Sprache unvollkommen mächtige Beamte einberufen wurden, jedoch wurde ihnen die Erlernung der deut­schen Sprache bis zur völligen Beherrschung zur Pflicht gemacht52). Die Kenntnis der französischen Sprache wurde gleichfalls gefordert, doch sah man ab und zu davon ab. Die österreichisch-ungarische Monarchie war von elf Sprachnationen besiedelt; Angehörige all dieser Nationen wand­ten sich mit Gesuchen an den Monarchen, kamen mit ihren Anliegen in die Kabinettskanzlei. Namentlich seit dem Regierungsantritt Franz Jo­sephs, da die Eisenbahnen rasche Verbindung mit Wien herstellten, war es daher bei Einberufungen in die Kanzlei wichtig geworden, darauf zu sehen, daß möglichst viele dieser Sprachen von den Beamten beherrscht wurden. Das Erwachen der einzelnen Nationen zu nationalem Eigenleben machte dies auch aus politischen Gründen erforderlich. Nach dem Aus­gleich mit Ungarn wurde auch darauf Bedacht genommen, eine ent­sprechende Anzahl von Beamten aus den Ländern der ungarischen Krone aufzunehmen; deren Zahl stieg allmählich bis auf die Hälfte des Stan­des 54). Wir wollen uns nun mit der Frage der Sprachkenntnisse und der nationalen Zugehörigkeit der einzelnen Kabinettsbeamten beschäftigen. Erstmals taucht ein der ungarischen Sprache kundiger Be­amter 1797 auf. Es ist dies der am 19. September jenes Jahres zum ge­heimen Kabinettskanzlisten ernannte Thaddäus Kussenics, der sich durch unermüdlichen Fleiß und Verläßlichkeit auszeichnete. 1806 oder so) Direktionsakt 6/1866. 51) Die Belege im Einzelnen auszuweisen, würde zu weit führen; sie fin­den sich in fast jedem Einberufungsakt. 52) Es waren dies Marijan Mazuranic und Semsey s. S. 338, 326. 54) Vgl. hiezu Kray, Im Dienste der Kabinettskanzlei, S. 22 f

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