Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei - 1. Die Entwicklung eines Kabinettssekretariates zu Seiten des Herrschers

I. Die Entwicklung der Kabinettskanzlei 1. Die Entwicklung eines Kabinettssekretariates zu Seiten des Herrschers Nicht auf dem Wege kanzleimäßiger Entwicklung sollte die Schaffung eines Kabinettssekretariates zu Seiten des Kaisers erfolgen, sondern von ganz anderer Seite her nahm diese Entwicklung mit merkwürdiger Gleich­artigkeit ihren Ausgang. Kaiser Rudolphs II. Nervenleiden hatte gegen Ende des fünften Jahrzehnts seines Lebens zu steigender Menschenscheu und zu immer größerer Abschließung von der Umwelt geführt. Immer schwieriger wurde es für die kaiserlichen Minister und Räte zu Rudolph selbst vorzudringen: immer mehr geriet er in die Hände seiner Kammer­diener. Schon Hans von Popp, der bis zu seinem wahrscheinlich 1599 erfolgten Tode die Stelle eines ersten Kammerdieners bekleidete, galt als beim Kaiser allmächtige Person; über ihn führte der Weg zu Ru­dolph II., hoch und nieder erbat bei ihm Förderung ihrer Anliegen1). Ihm folgte in der Gunst des Kaisers der Kammerdiener Hieronymus Machowsky von Machau auf Aichdorf und Brücken­thal. Er vermittelte die Audienzen beim Kaiser, übermittelte diesem die eingelangten Schriftstücke, folgte die vom Kaiser unterfertigten aus. Hiebei ließ er sich die gröbsten Unzukömmlichkeiten zuschulden kommen. Mangel an Verschwiegenheit, Unterdrückung an den Kaiser gerichteter Eingaben, Erledigung wichtiger Geschäfte ohne Wissen des Kaisers, Be­stechlichkeit, ja selbst Fälschung der kaiserlichen Unterschrift wurden ihm vorgeworfen. Am 8. Oktober 1603 wurde Machowsky plötzlich im Aufträge des Kaisers verhaftet; sein Vermögen wurde eingezogen, er ') Über das Kammerdienerregiment s. G. v. Schwarzenfeld, Rudolf II., Mün­chen 1961, S. 70, 190 ff. Über Popp s. F. Hurter, Geschichte Kaiser Ferdinands II. und seiner Eltern, Bd. 4, S. 492, Urkunden Nr. CLXV: Zur Geschichte eines Kammerdieners. Der Rest des schriftlichen Nachlasses Popps, auf dem Hurters Darstellung fußt, befindet sich im Habsburg-Lothringischen Familienarchiv, Langakten, Kart. 8. (s. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staats­archivs hsg. v. L. Bittner, 2. Bd., Wien 1937, S. 57.) Das dort erliegende Ver­zeichnis der von Popp hinterlassenen Schriften läßt im Gegensatz zu den von Hurter hierüber gemachten Angaben keinen Schluß darauf zu, daß Popp auch Schreibgeschäfte des Kaisers besorgt hätte. Über Popp s. auch F. Hurter, Philipp Lang, S. 174, Stieve, Briefe und Akten zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges, Bd. 4, S. 221 f., Ders., Die Verhandlungen über die Nachfolge Kaiser Rudolfs II., S. 153. Schwarzenfeld, a. a. O., S. 132, 190. Hans Popp und sein Bruder Andreas wurden am 6. 4. 1590 in den erblichen Reichs- und erblän­dischen Adelsstand erhoben, Reichsregister Rudolfs II., Bd. XVII, fol. 262 v.

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