Fritz Reinöhl: Ergänzungsband 7. Geschichte der k.u.k. Kabinettskanzlei (1963)

Einleitung

5 erzkanzlers entzogen werden sollte, an sich zu bringen. Einen guten Ein­blick in die Verhältnisse bald nach der Wende vom 17. zum 18. Jahrhun­dert gibt ein Bericht des Hofkanzlers Philipp Ludwig Grafen Sinzendorf über die Behandlung der Geschäfte bei Hof vom 2. Oktober 1706 18). Er weist in diesem darauf hin, daß die Hofkanzlei „als eine haus- und ge­heime canzlei eingesetzet ist“, sie müsse „ein arcanum dominii austriaci“ sein. Die Hofkanzlei erledige neben einem Teil der politischen Korrespon­denz „alle handschreiben, so an die befreunde könige und fürsten ge- schriben werden“, sie fertige allen Hofämtern die Instruktionen und Ent­lassungsdekrete zu, ferner die Patente für den Hofkriegsratspräsidenten, Hofkammerpräsidenten, den Oberstjäger- und den Oberstfalkenmeister. Seit dem Regierungsantritt Kaiser Josephs I. gingen alle Expeditionen in rein österreichischen Angelegenheiten durch sie. Der Reichskanzlei stünde nur zu, was der Kaiser „nomine imperii das ist befehlsweise an churfürste und stände ergehen lassen, wie dann was dero reichshofrat erkennet und durch dero kais. commission an den reichstag gebracht oder sonsten ratione feudorum in Teutschland oder Italien etwas verhänget wird oder endlichen auch an einen auswärtigen könig per rescriptum, in welchem sie [die kaiserliche Majestät] die majestät nicht geben, etwas nomine imperii ergehet“. Die Entschließung Josephs darauf besagt, u. a., daß die Hofkanzlei alle Allianzen mit Kurfürsten und auswärtigen Mäch­ten, die Bestellung und Abberufung der Gesandten zu behandeln, die Reichskanzlei aber, wenn Reichsangelegenheiten mitbetroffen seien, alles Weitere zu veranlassen habe und daß diese alle Handschreiben, in wel­chen die Majestät nicht gegeben wird, d. h. also in welchen das Reichs­oberhaupt als Lehensherr eines auswärtigen Herrschers auf tritt, zu be­fördern habe19). Die Österreichische Hofkanzlei diente somit nicht allein als Schreibstelle für die geheimen und die Haussachen sondern auch zur Verbindung zwischen dem Herrscher und den anderen Hofstel­len und dem Hofstaate. Sie erfüllte somit jene Aufgaben, deren Großteil dann von den Kabinettssekretären bzw. der Kabinettskanzlei geführt wurde. Ein genauer Einblick in den Geschäftsgang ist vorläufig nur bei der Reichskanzlei möglich. Lothar Groß vermochte in seiner ihr gewidmeten Arbeit die Entwicklung eines Kabinettssekretariates innerhalb der Kanz-i lei darzutun20). Die Reichskanzlei war scheinbar stets in eine deutsche und eine lateinische Abteilung, Expedition genannt, gegliedert. Von An­fang an scheint die letztgenannte Abteilung den größten Teil der Fami­lienkorrespondenzen und der Hofsachen besorgt zu haben21). Einen Hauptteil der Tätigkeit des lateinischen Sekretärs Marx Singkmo­18) Fellner-Kretschmayr, a. a. O., Bd. 3, S'. 44 ff. i°) Ebenda, S. 48 f. 20) S. Anm. 11. 21) Groß, a. a. O., S. 14 f.

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