Walter Goldinger: Ergänzungsband 5. Geschichte des Österreichischen Archivwesens (1957)

Schatzgewölbe und Kanzleiarchive

24 Walter Goldinger über Registraturtechnik 137), so des Venetianers Balthasar Bonifacius De archivis liber singularis (1632) und des Straßburger Archivars Jakob Wencker Collecta archivi et cancellariae iura (1715). Sein Nachfolger, der Piarist Gregor Gruber138), geht in seinem Lehr­system einer allgemeinen Diplomatik schon wesentlich weiter. Auch er zitiert mehrfach die ältere Literatur: Rammingen139), Multz140), Wencker, in der Hauptsache stützt er sich aber auf das Werk seiner französischen Zeitgenossen Le Moine und Batteney 141). In der zweiten Auflage schließt er sich ganz an Philipp Ernst Spiess, den Archivar auf der Plassenburg, an, dessen Schrift Von Archiven 1777 erschienen ist142). 1823 kam in Wien und Krems ein kleines Büchlein von Valentin Kraus heraus Die historischen Hilfswissenschaften im Grundrisse 143). In einem Anhänge zur Diplomatik handelt er von Archiven und Regi­straturen. Deutlich scheidet er zwischen Archiv, das die briefliche Schatz­kammer eines Staates, einer Provinz, einer Familie oder Gemeinde dar­stellt, und der Registratur, in die alle Schriften gehören, welche nicht die Integrität, Verfassung und Verhältnisse des Staates betreffen, sondern bloß Sachen der Privatpersonen oder die Verwaltung einzelner Ämter, Gefälle usw.144). Man sieht, wie noch in dieser Spätzeit deutlich das Bewußtsein einer notwendigen Gegenüberstellung von Schatz- und Kanzleiarchiven lebendig ist. Auch die Gründung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1749 liegt durchaus auf der Linie der Fortentwicklung der alten Schatzgewölbe. Schon einige Dezennien vorher hatte man aus dem Kreis der Kameralisten und Merkantilisten auf die Notwendigkeit der Schaffung eines Universal­137) Kaiser, 98 ff. Brenneke, a. a. O., 46; Lester K. Born, The de Archivis Commentarius of Albertino Barisoni, Arch. Zeitschr. 50/51 (1955) 17; L. Sandri, II De Archivis di Baldassare Bonifazio. Notizie degli Archivi di Stato 10 (1955) 95—111. 138) Wurzbach, 4, 383 f. Eine Abschrift einer kurzen Selbstbiographie befindet sich im Archiv der Universität Wien. 139) yon (jer Registratur, Heidelberg 1571. 14°) De iure cancellariae et archivi. Pars II seiner Repraesentatio Majesta­tis imperatorie, Öttingen 1692. 141) Diplomatique pratique, ou traité de l’arrangement des archives et tré- sors des chartes, Metz 1765. Supplement von Le Moine 1772, auch unter dem Namen Le Moine-Batteney in deutscher Übersetzung: Praktische Anweisung zur Diplomatik und zu einer guten Einrichtung der Archive, Nürnberg 1776—77. 142) Spiess hat seine Ansichten auch bei einem Wiener Besuch am Kaiser­hof vertreten. Vgl. H a e u 11 e, Archivalische Reisen im vorigen Jahrhundert. Archiv f. österreichische Geschichte 54, 1876, 184. 143) Erscheinungsort ist Krems und Wien. Über den Autor sind keinerlei biographische Daten nachweisbar. Das Werk ist, soweit bekannt, nur in der Bibliothek des Oberösterreichischen Landesarchivs vorhanden. 144) Kraus, 231.

Next

/
Oldalképek
Tartalom