Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

VIII. Kunstgeschichte - 80. Dietrich W. H. Schwarz (Zürich): Zwei gotische Archivschränke aus Zürich. (Mit 3 Tafeln.)

Zwei gotische Archivschränke aus Zürich. 515 Es rächt sich auch hier das Fehlen eines genauen Protokolls über die vorgenommenen Arbeiten anläßlich der „Renovation“. Die beiden Türflügel sind auf der Außenseite mit je drei einfachen Eisenbändern beschlagen; diese sind durch Scharniere mit den entsprechenden Bändern auf den Seiten der Schränke verbunden. Auf der ganzen Außenfläche der Türen wird durch spätgotische Illusionsmalerei in schwarzer Farbe ein überreiches, kunstvolles spätgotisches Beschläg vorgetäuscht. Die Illusion wird durch plastische Imitation von Beschlägenägeln (aus Papier, bronziert) noch unterstützt. Auf jedem Türflügel ist ein aus Papier ausgeschnittenes, blau und weiß bemaltes und gegen die Mitte geneigtes Zürcher- wappen aufgeklebt. Außen wurde das Holz gebeizt, innen mit rötlich-brauner Farbe durch­gehend bemalt. Rückwände fehlen. Im Innern der Schränke Gestelleinbauten zur Aufnahme einer verschieden großen Anzahl von Schubladen („Truckhen“, wie sie in der Archivsprache Zürichs seit dem Mittelalter hießen). Einzelbeschreibung. Schrank A. Dimensionen: 235 cm hoch, 60 cm tief, 175 cm breit. Vom alten gotischen Beschläg auf dem linken Türflügel eine viereckige Rosette mit Ring und ein dreieckiges Anschlagblech, auf dem rechten Türflügel ein kleiner Schlüsselschild in Wappenform erhalten. Nagelspuren auf dem rechten Flügel beweisen, daß sich einstmals eine gleiche Rosette wie links auch rechts befunden hat. Das Schloß des 16. oder 17. Jahrhunderts wurde anläßlich der „Renovation“ — wohl aus Gründen der „Stilreinheit“ — entfernt und befindet sich derzeit im Depot des Museums. Das Schloß kann nur durch gleichzeitige Betätigung dreier verschiedener kunstvoller Schlüssel betätigt werden. Diese Schlüssel waren in Verwahrung dreier Ratsherren, der Schlüßlerx). Der Archivschrank konnte somit, wie die zwei übrigen, welche die gleichen Schlösser hatten, nur in Anwesenheit dieser drei Ratsherren geöffnet werden. Aus dem 17. Jahrhundert stammt ferner eine Vor­richtung zum Festhalten des linken Türflügels. Innen in sechs Reihen übereinander je fünf Schubladen von etwas abweichenden Größen Verhältnissen. Jede dieser Schubladen trägt ein aus Messing gestanztes, mit grün oder blau bemaltem oder naturfarbenem Pergament unterlegtes durchbrochenes Beschläg mit Ring. Das Ziermotiv ist dasjenige der spätgotischen Wirbelrosette. Nur bei zwei Schub­laden ist das ursprüngliche Beschläg durch neueres (Löwenkopf mit Ring im Maul, wohl noch 17. Jahrhundert) ersetzt worden. Auf jeder Schublade eine größere Etikette aus sehr feinem, dünnem Pergament, sorg­fältig mit je acht Messingnägeln, die wiederum mit kleinen Pergamentstücken unterlegt sind, befestigt. Diese Etiketten tragen Nummer und kurze Inhaltsangabe der „Trucke“ von ein und derselben Hand. Schrank B. Dimensionen: 235 cm hoch, 60 cm tief, 175 cm breit. Vom alten Beschläg wie bei A nur die Rosette mit Ring und ein dreieckiges Anschlagblech erhalten, der Schlüsselschild fehlt hier, ebenso das Schloß und die Rosette auf dem rechten Türflügel. Das Schloß des 16./17. Jahrhunderts ebenfalls entfernt und im Depot des Museums. Vor­richtung zum Festhalten des linken Türflügels. Innen in sieben Reihen übereinander je fünf Schubladen; die zwei letzten der untersten Reihe fehlen. 32 der noch vorhandenen Schubladen tragen das gleiche, bei A schon erwähnte spätgotische Beschläg, eine einzige den ebenfalls erwähnten Löwenkopf. Die 20 oberen Schubladen weisen gleiche Etiketten, wie die des Schrankes A auf und bilden mit ihrer Numerierung von XXXI bis L auch die unmittelbare Fortsetzung. Die 13 Schubladen der drei unteren Reihen hingegen besitzen entweder keine oder dann ältere Etiketten aus Papier, die direkt aufs Holz aufgeklebt wurden (Abb. Taf. VIII). Diese „Trucken“ sind ferner mit Kreide l l) Schweizer Paul, a. a. O., S. 8, 28.

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