Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 50. Hermann Balti (Graz): Beiträge zur Geschichte der steirischen und österreichischen Strafrechtskodifikationen im 15. und 16. Jahrhundert
28 Balti, Somit steht also fest, daß der von Byloff als „Entwurf III“ bezeichnete Text der steirischen Landgerichtsordnung, der mit der späteren Ausgabe von 1574 in den meisten Punkten wörtlich übereinstimmt, vom steirischen Landtag gegen Ende des Jahres 1546 beschlossen und am 12. Dezember 1546 dem König zugeleitet wurde. Während die im Stiftsarchiv Rein vorhandene Abschrift nur Teile der Ordnung umfaßt, enthält die Handschrift des Landesarchivs das vollständige Dokument. Die Fassung von Rein weicht sowohl vom Landschaftlichen Text als auch von der späteren Landgerichtsordnung von 1574 stilistisch vielfach in der Art ab, daß sie fehlerhaft geschrieben ist, falsche Wortstellungen und auch geringe Wort- und Satzabänderungen aufweistx). Allerdings sind auch in der Ausgabe von 1574 verschiedene, offenbar sinnlose Abschreibfehler, die schon 1546 aufscheinen, beibehalten worden. Eine Vergleichung zwischen den Texten von 1546 und 1574 ergibt für 1546 folgende erheblichere Abweichungen: die I 9 von 1574 entsprechende Stelle lautet 1546 bei gleicher Überschrift: „Item so ain ledige person ir den todt selbst anlegt vnnd solich nit aus grosse ainer khrankhait oder annder dergleichen zufall sonnder auss verzweiffleten pösen fürnemen volget, so ist dem gericht derselben person varundt guett verfallen, davon soll das gericht den Cörper on allen ferrern auf lag vertilgen lassen, Wie es bissher an den ennden das sich dergleichen föl begeben in gebrauch gewest. Wo es aber ain Angesessene personn war desselben verlassen nagsten Erben, wo die nit verhannden dem Grundtherrn zufalen. Welch sich aber auss vnbesindter Weiss oder grosse der Khranikhait selbst entleyben, damit soll es gehalten werden, wie hievor in ain sonderen artikhl begriffen stett.“ 1 2) I 35 normiert abweichend von 1574, daß jedem Geständnis „darinnen sovil anzaigen befunden wiert, das khain vnnschuldiger alss sagen vnnd wissen khund, derselben ist zuglauben vnnd darauf was recht zuhanndlen.“ Nach I 65 ist ein Artikel eingeschoben, der bestimmt, daß keiner in peinlichen Sachen zur Rechtfertigung vergeleitet werden solle. Die a. I 69, 70 fehlen 1546. Zu I 137 hat 1546 noch einen Zusatz, der für zweifelhafte Fälle Landeshauptmann, Vizedom und schließlich die niederösterreichische Regierung zur Ratserholung bestimmt. II 5 ist 1546 wohl mit der gleichlautenden Titelrubrik angeführt, der Text selbst jedoch fehlt; II 7 findet sich in 1546 nicht. Während 1574 in II 16 von „beschreiben“ des Angeklagten gesprochen wird, heißt es 1546 noch richtig gemäß der CCC „beschreien“. Die Verschiedenheiten im dritten Teil sind geringfügiger Art und werden daher hier — ebenso wie eine Reihe von geringeren Abweichungen in beiden andern Teilen — nicht angeführt. Die im vorstehenden kurz erwähnten Abweichungen des Textes 1546 von der späteren Ausgabe 1574 ändern nichts daran, daß schon die Fassung von 1546 inhaltlich als abgeschlossenes und voll verwendbares Strafgesetzbuch sich darstellt, während die 1545 von der kärntnerischen Landschaft in Befolgung des gleichen kaiserlichen Befehls von 1544 vorgelegte Zusammenfassung von Besserungsvorschlägen diesen Anspruch in keiner Weise erheben kann. Und dennoch dürfte es sicher sein, das Kärnten in seiner Landgerichtsordnung von 1550 dieses „guetbedungken“ von 1545 verwendete, während für Steiermark ein amtliches Inkrafttreten des Textes von 1546 von Byloff abgelehnt wird und tatsächlich nicht einwandfrei zu erweisen ist. Einen Fingerzeig, daß diese (oder eine andere) Landgerichtsordnung dennoch in Steiermark vor 1574 Geltung gehabt haben könnte, scheinen zwei Umstände zu geben: 1) Vgl. I, 1: statt „geadelt“ steht „gedacht“; I 58 statt „Item belohnt zeugen sein verwerflich“ steht „Item welche zeugen sein verwerflich I 62, wo richtig bestimmt wird, daß der überwiesene Verbrecher der dennoch nicht bekennen will „so soll er nicht desto weniger ohne ainiche peindliche frag der bewisen missethat nach verurtheilt werden“ während Rein erklärt „. . . so soll er nichts desto weniger peindlichen gefraget vnd der bewisen . . . “ 2) Das ist eine weder auf der Carolina noch einer österreichischen Landgerichtsordnung beruhende Vorschrift, die wahrscheinlich auf partikuläre Rechtsübung zurückgehen dürfte.