Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

I. Archiv-Wissenschaften - 9. Eduard Straßmayr (Linz): Das Schloßarchiv Weinberg (Oberösterreich)

146 Straßmayr, Zum erstenmal drang eine Nachricht vom Weinberger Archiv in die Öffentlichkeit, als im Jahre 1912 der damalige Landesarchivdirektor Dr. Ignaz Zibermayr das Archiv be­sichtigen konnte. Er fand es in der von Trauner durchgeführten Ordnung und Aufstellung vor. Wie sehr man die Abschließung des Weinberger Archivs vom Standpunkte der Geschichtsforschung beklagen mochte, hat sie doch wieder das Gute gehabt, daß dadurch ein Adelsarchiv in unsere Tage herübergerettet wurde, welches an Vollständigkeit und Reich­haltigkeit seinesgleichen sucht. Eine genaue Überprüfung auf Grund der vorhandenen Reper­torien hat im Jahre 1920 zu dem erfreulichen Ergebnis geführt, daß von den 6125 Akten­päckchen, die Trauner seinerzeit katalogisierte, nur 136 Schriftstücke fehlten. Obwohl die Akten in der Art, wie sie Trauner zusammengestellt hat, zum Großteil beisammen geblieben sind, ist doch später manche Unordnung in den Archivräumen ein­gerissen. Verwaltungsakten, die ins Familienarchiv nicht gehörten und von Trauner nicht inventarisiert worden waren, lagen mit ganzen Bündeln von losen Korrespondenzen und den im Laufe des 19. Jahrhunderts hinzugekommenen Schriften vermengt auf dem Boden herum. Verschiedene Aktenpäckchen, die für Amts- oder Familienzwecke aus den alten Archiv­kästen herausgenommen worden waren, kamen irrtümlicherweise in andere Laden und sogar in das in einem anderen Schloßtrakt untergebrachte Wirtschaftsarchiv. Im Jahre 1917 hatte Major Richard Freiherr von Gablenz-Thürheim (gestorben 1925) von seinem Schwager Ludwig Grafen von Thürheim, dem letzten männlichen Sprossen dieser Familie, die Fideikommiß-Herrschaft Weinberg übernommen. Dieser Edelmann aus altem Geschlecht, der den heimatkundlichen Bestrebungen warmes Verständnis entgegenbrachte und während des Krieges für die Erhaltung des baufällig gewordenen Renaissanceschlosses rastlos arbeitete, faßte den Entschluß, das Weinberger Archiv wieder in gute Ordnung bringen zu lassen. Am 24. Dezember 1919 schloß er mit der oberösterreichischen Landes­vertretung folgenden Vertrag: Das Land Oberösterreich läßt durch einen Beamten des Landesarchivs die Archiv­bestände auf eigene Kosten ordnen und erhält als Gegenleistung die Korrespondenzen des Landeshauptmannes Grafen Hans Ludwig von Kuefstein (1630—1656), die Bauernkriegs­akten und die auf die allgemeine Landesgeschichte Bezug nehmenden Archivalien (z. B. stän­dische Angelegenheiten, Landtage), soweit sie nicht die Familie Thürheim betreffen. In der Zeit vom Mai bis September 1920 hat der Verfasser dieser Abhandlung die Arbeiten durchgeführt. Mit Rücksicht auf die gut erhaltene Archiveinrichtung aus dem 18. Jahrhundert und die noch vorhandenen, bequem benützbaren Repertorien wurde Trauners Archivordnung wiederhergestellt. Da zahlreiche Korrespondenzen von Adelspersonen mit der Familie Thürheim aus dem 17. und 18. Jahrhundert bei der Einrichtung des Archivs in den Jahren 1777/78 nicht berück­sichtigt worden waren und sich im Laufe des 19. Jahrhunderts eine Menge von Familien­schriften anhäufte, wurde dieser wertvolle Bestand gesichtet und in dem 28 Laden umfassen­den Archivkasten S verwahrt. Hier fanden auch die Schriften der Familie Gablenz-Thür­heim (1662—1919) Aufstellung. Im Zusammenhang mit der Ordnung des Familienarchivs erfolgte auch eine Sichtung der Wirtschaftsakten. In einem trockenen Kellergeschoß, in welches man über eine breite Stiege vom Zimmer der Verwaltungskanzlei gelangte, war das Herrschaftsarchiv unter­gebracht. Den erhaltenswerten Aktenbestand von der erdrückenden Masse geschichtlich wertloser Verwaltungsschriften des 19. Jahrhunderts zu befreien, war ein dringendes Gebot. Die noch vorhandenen Aufschriften auf den braunen Kästen ließen erkennen, daß sich das Archiv zu Trauners Zeiten in geordnetem Zustande befand. Ein Inventar war leider nicht vorhanden. Wie jedes Kanzleiarchiv umfaßte auch jenes zu Weinberg die auf die verschiedenen Verwaltungszweige Bezug nehmenden Schriften, welche mit dem 17. Jahrhundert begannen und in die Fächer Justitialia, Publica-Politica, Criminalia, Militaria, Cameralia und Contri-

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