Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

I. Archiv-Wissenschaften - 9. Eduard Straßmayr (Linz): Das Schloßarchiv Weinberg (Oberösterreich)

Schloßarchiv Weinberg. 147 butionalia eingeteilt waren. Außerdem fanden sich noch viele Steuerbücher, Dienst register, Brief- und Verlassenschaftsprotokolle sowie Waisenbücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert vor. Eine ganz strenge Scheidung zwischen Familien- und Herrschaftsarchiv wurde übrigens in Weinberg früher nicht vorgenommen, denn auch im ersteren befanden sich zahlreiche Verwaltungs- und Wirtschaftsakten. Über das neu geordnete Familienarchiv der Thürheim und Gablenz sowie über die in vier Kisten an das Oberösterreichische Landesarchiv vertragsgemäß übergebenen Archi­valien, welche drei Urkunden, 78 Schuberbände mit Akten, 54 Handschriften und eine Kalendersammlung (97 Stück aus den Jahren 1627—1803) umfassen, wurden Verzeichnisse angelegt. Während des zweiten Weltkrieges bot das Schloß zahlreichem Bergegut, darunter dem Franziszeischen Kataster des Landesarchivs eine gesicherte Unterkunft. Unheildrohend nahte das Schicksalsjahr 1945. Gewaltige Truppenmassen fluteten in den April- und Mai­tagen durch die Feldaistsenke; am 21. Juni wurde Weinberg von russischen Soldaten besetzt und als Infektionsspital verwendet. Hart wurden die Renaissance-Einrichtung und Samm­lungen des Schlosses mitgenommen. Die einzigartige Apotheke aus dem 18. Jahrhundert ging fast vollständig zugrunde, Archiv und Bibliothek bildeten ein wüstes Durcheinander, zum Teil zerrissen und beschmutzt 1). Um die Archivbestände vor Verlusten zu bewahren, trat das Landesarchiv mit dem Schloßeigentümer Hans Freiherrn von Gablenz-Thürheim in Verhandlungen und im November 1946 wurde das Archiv mit Bewilligung der russischen Besatzungsstellen nach Linz gebracht. Für den Transport waren vier Fahrten mit je zwei Lastwagen nötig. Im März 1947 nahm Oberlehrer a. D. Georg Grüll die Neuordnung des Familien- und Herrschaftsarchivs in Angriff und schon im Frühjahr 1948 waren die mühevollen Arbeiten beendet. Sie haben zu der er­freulichen Feststellung geführt, daß von den durch Trauner geordneten Archivalien in den Kriegswirren fast nichts verlorengegangen ist. Weinberg hat in jüngster Zeit eine gründliche Wandlung erfahren. Im Jahre 1947 wurde das Schloß auf 25 Jahre an die Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter Österreichs vermietet und mit großem Geldaufwand zu einem Erholungsheim ausgestattet. Die Bau­schäden sind behoben, bei den Erneuerungsarbeiten und Umbauten hat Architekt Theer die jetzige Zweckbestimmung des Gebäudes mit den Forderungen des Denkmalschutzes in Einklang zu bringen verstanden. Ein geschichtlich bedeutsamer, ideal gelegener Adels­sitz bleibt vor dem durch die Kriegsfolgen drohenden Verfall bewahrt. Seine Archivschätze sind in guter Obhut und liegen für die wissenschaftliche Forschung bereit. * * * Das Schloßarchiv Weinberg birgt für die Landesgeschichte einen reichhaltigen Quellen­stoff, der bisher noch wenig ausgeschöpft wurde. Neben dem Starhembergschen Herrschafts­archiv Eferding 2), das durch seinen Urkundenschatz und durch seine Familienpapiere eine überragende Stellung einnimmt, darf es als das wertvollste unter den übrigen Adelsarchiven unseres Landes gelten. Sprossen des Hauses Thürheim haben oft führend und entscheidend in die Geschicke Oberösterreichs eingegriffen. Manche von ihnen nahmen als Landeshaupt­leute, ständische Verordnete und Landräte am politischen, kulturellen und Wirtschaftsleben wichtigen Anteil. Durch verwandtschaftliche Beziehungen flössen ihnen die wertvollen Brief­sammlungen des Landeshauptmannes Hans Ludwig von Kuefstein zu, der in den stürmischen Zeiten der Gegenreformation und Bauernunruhen auf verantwortungsvollem Posten stand. Da sie zahlreiche Aktenstücke und Korrespondenzen aus ihrer Amtstätigkeit später dem Familienarchiv einverleibten, haben sich dort Geschichtsquellen von allgemeiner Bedeutung x) Vorwort zu dem von Georg Grüll 1948 angelegten Archivverzeichnis der Herrschaft Weinberg, 2. Teil, S. 24 f. *) Im Jahre 1938 wurde es dem Oberösterreichischen Landesarchiv zur Aufbewahrung übergeben.

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