Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)
IV. Quellen und Quellenkunde - 36. Plans Kramer (Innsbruck): Agostino Patrizzis Beschreibung der Reise des Kardinallegaten Francesco Piccolomini zum Christen tag in Regensburg 1471
Patrizzis Beschreibung der Reise des Kardinallegaten Francesco Piccolomini. 553 terie, also auch Genauigkeit, anhaftete, macht ihn uns als historische Quelle nur um so wertvoller1). Das gerade Gegenteil Patrizzis war der Bischof von Teramo Giovannantonio Campano, ein Mann aus niedersten Verhältnissen, äußerlich erschreckend häßlich, aber gescheit, geistvoll, witzig, mit einem hohen formalen und stilistischen Talent begabt, ein feiner humanistischer Latinist, allerdings charakterlich nicht sehr hoch stehend und, wie so viele Humanisten, maßlos eitel. Pius II. hatte ihn emporgezogen und er mußte ihm als eine Art Zwischending zwischen humanistischem maitre de plaisir und Hofnarr dienen. Die beiden Männer, Patrizzi und Campano, standen miteinander nicht allzu gut, hier der ernste, genau arbeitende Mann, dort ein recht leichtfertiger Schöngeist. Nun sind die geringschätzigen Urteile Campanos über Deutschland gerade von dieser Reise seit langem gedruckt und schon berühmt, und man weiß nur nicht, ob der deutsche Historiker sich über sie ärgern oder sie belächeln soll. Campano übertrieb seine Verachtung Deutschlands und machte einen Sport daraus, um nach Effekt zu haschen. In seiner maßlosen Eitelkeit verzieh er es den Deutschen nicht, daß sie sich nicht mit ihm verständigen konnten und wollten; immer wieder betont er in seinen Briefen nach Rom, wie er die Deutschen nicht versteht und er von ihnen nicht verstanden wird. Dieser Umstand und der schleppende, langweilige, ergebnislose Verlauf des Christentages sind die Grundlagen des Deutschenhasses Campanos, Gründe, die auch bei Patrizzi hätten gelten können, aber keine bösen Auswirkungen hatten. Campano hat denn auch später (1498) von deutscher Seite, nämlich von Conrad von Leonberg (Leontorius), Mönch im Cisterzienserkloster zu Maulbronn, eine scharfe national gesinnte Antwort erhalten2). Es war also eine Legation, die in ihren wichtigsten Gliedern aus einem Verwandten und Schützlingen des Vorgängers Pauls II., Pius II., bestand, wenn man von Campano * * * * S. * 7 x) Über Patrizzi Dengel, S. 209 ff., mit Literatur in den Anmerkungen. Wie er der treueste Begleiter Pius II. war und u. a. den Großteil von dessen berühmten „Commentarii“ nach dessen Diktat schrieb, vgl. Kramer, Untersuchungen, S. 66 f. Er wurde offiziell erst 1460 „Amanuensis“ Pius II., dürfte aber wohl früher in dessen Umgebung gezogen worden sein. Georg Voigt, Enea Silvio de’Piccolomini als Papst Pius II. und sein Zeitalter, 3. Bd„ Berlin 1863, S. 620; Gregorovius, 7. Bd„ S. 586. Patrizzi war auch der Gönner und Förderer des bekannten päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burchardus, der durch sein Tagebuch über Papst Alexander VI. und seinen Hof berühmt geworden ist. Dieses Tagebuch ist eine der am meisten gelesenen Quellen der italienischen Renaissance. Vgl. Alexander VI. und sein Hof, nach dem Tagebuch seines Zeremonienmeisters Burcardus, hgb. von Ludwig Geiger, 13. Auflage, in deutscher Übersetzung, Stuttgart um 1913 (Memoirenbibliothek IV. Serie, 3. Bd.). 2) Über Campano Dengel, S. 212 ff., mit Literatur in den Anmerkungen. Kramer, Untersuchungen, S. 82 f. Voigt, Enea Silvio, 3. Bd„ S. 621 f. Derselbe, Die Wiederbelebung des klassischen Altertums oder das erste Jahrhundert des Humanismus, 3. Auflage, Berlin 1893, 2. Bd., S. 235, 310, 417; Gregorovius, 7. Bd., S. 600 ff. Josef Schlecht, Zur Geschichte des erwachenden deutschen Bewußtseins, Historisches Jahrbuch, 19. Bd., 1898, S. 351 ff. Im folgenden einige Stellen aus seinen Briefen von dieser Reise 1471, nicht einmal die ärgsten: Vgl. Jo. Antonii campani episcopi Aprutini epistolae et poemata, ed. Joh. Burchardus Menckenius, Leipzig 1707. — Ego quoque, etsi idem facere cupio (bei den politischen Verhandlungen in Regensburg mittun), tarnen eo sum in loco, ut neque intelligam quenquam neque intelligar (S. 351). — \ ivimus, si modo vita est aliqua esse cum barbaris (S. 348). — Quid in Germania faciam ? Dicam, mediter, facio nihil, dico parum, meditor unum: Italia, Italia est, resonat mihi dulcis in ore Italia, Italia fixa mihi est animo (S. 353). — Anceps fortuna mea est. Quanta calamitas naso, tanta auribus felicitas inest. Dum omnes sentio, intelligo neminem (S. 346). — Incredibilis est hic ingeniorum barbaries. Rarissimi norunt litteras, nulli elegantiam (S. 347). — Quam saepe veniunt in mentem Romanae delitiae. Medio nunc Junio frigemus. Quid futurum ad decembrem existimes in Germania et an resistere viros posse in Italia natos ? Ubi flumina plerumque universa gelent. Sed durabimus (S. 352). — Ego inter barbaros et solus vivo, amicis omnibus sodalibusque destitutus. Malim perire quam sic diutius agere (S. 372). — Nam vivere inter barbaros aliquanto minus est quam vita . . . Sensum humanitatis amisi (S. 395). — Nihil tam foetidum quam Germania. Aspectu sunt omnia iucunda, tactu refuga, olfactu graviora (S. 396). — Vgl. auch Dengel, S. 213, Anmerkung 3, S. 227, Anmerkung 6. — Die Rede Campanos, die dieser in Regensburg halten wollte (. . . in conventu Ratisponensi ad exhortandos principes Germanorum contra Tureos et de laudibus eorum oratio) in der Ausgabe der Werke Campanos in Venedig von 1564, S. XC ff. Über Campanos Verhältnis zu Patrizzi Voigt, Enea Silvio, 3. Bd., S. 623.