Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

IV. Quellen und Quellenkunde - 35. Alphons Lhotsky (Wien): Eine unbeachtete Chronik Österreichs aus der Zeit Kaiser Friedrichs III

Chronik Österreichs aus der Zeit Kaiser Friedrichs III. 545 Nichtauszahlung ihres Soldes schwere Ausschreitungen begangen, weshalb es dann zu den umständlich geschilderten Auseinandersetzungen Friedrichs mit den Ständen gekommen wäre. Diese Darstellung ist irrig. Zunächst ist richtigzustellen, daß Friedrich nicht am Johannistag (24. Juni 1441), sondern am 17. Juni 1442 zum König gekrönt worden ist. Ferner haben die sehr lebendig, ja dramatisch geschilderten Verhandlungen nicht nach, sondern vor der Königskrönung stattgefunden. Der Verfasser hat die späteren Klagen über die Ausschreitungen irrigerweise zur Motivierung herangezogen, jedenfalls aber eine nicht unbeträchtliche Verwirrung angerichtet. Der Landtag, den er eigentlich schilderte, fand bereits im Juni 1441 statt, also vor Friedrichs Reise nach Aachen. Damals wurde bereits auch mit Königin Elisabeth, der Witwe Albrechts V. (II.) verhandelt. Was die Soldsumme betrifft, so war Friedrich nicht abgeneigt, sie aus eigenen Mitteln vorzuschießen, aber — und darum ging es hauptsächlich, was der Chronist nicht wußte oder nicht für so wichtig hielt — er verlangte eine Sicherstellung des Darlehens durch die Kleinodien der Albertiner; seine bekannte Leidenschaft für derlei Schätze Q wird dabei wesentlich wirksam gewesen sein. Allein man weigerte sich, ihm die Schatzkammer der österreichischen Linie zu überantworten, und als auch sein Angebot, 20.000 Gulden ohne Deckung darzuleihen, zu keiner Einigung führte, kam es zu einer sehr wilden Szene. Hier wird die neue Quelle in Einzelheiten recht ergiebig. Der Schauplatz der Auseinandersetzungen war das Augustiner­kloster hinter der Burg; daß einer der Herren eine Ansprache hielt, ist auch anderwärts überliefert: es war der Graf Hans von Schaumberg. Bisher* 2) war darüber nur bekannt, daß er die Ergebnislosigkeit der Verhandlungen tadelte und Friedrichs Verpflichtung zu Bezahlung der Söldner betonte, zumal Feindesgefahr drohe. Der Chronist, dessen Darstellung sich hier zu direkter Rede erhebt, läßt eine förmliche Absage der Herren an den König erkennen 3), und der Zuruf „Kreuzigt ihn“ gehört doch zum Stärksten, was an politischer Leidenschaftlichkeit aus dem Spätmittelalter überliefert wird. Angesichts der oben bemängelten Ungenauigkeiten in Zeitangaben und Reihenfolge der Ereignisse liegt der Verdacht nahe, daß der Verfasser hier doch nicht verläßlich unterrichtet gewesen sei; allein, wir haben eine mittelbare und sogar eine unmittelbare Bestätigung von höchster Authentizität zum Beweise. Daß es damals ungewöhnlich wild und bedrohlich zuging, lehrt die spätere Versicherung Friedrichs, daß er niemandem etwas nachtragen wolle ob ichts zu scharf oder zu grob geredt wer in den dingen 4). Eine ganz vertrauliche eigenhändige Aufzeichnung des Kaisers aber, die erst vor kurzem — obgleich sie später ausradiert worden war — aus höchst dürftigen Resten mit größter Mühe gelesen worden ist 5), bestätigt in überzeugender Weise die Richtigkeit des behaupteten Zurufes. Vielleicht noch unter dem frischen Eindrücke der Szene hat sich Friedrich notiert: Die Österreicher habent mich . . . gedrungen von meiner gebalt und regierung in demselben land, und die mein gesboren und versprochen ret und deiner gebessen sint, habent von mir geczogen und vol abgenomen und sind darnach die gre(b)sten wider mich gebesen und habent in ir ... ofenbar geschriren ,,Krewczen! krewczen!“ mit vil andern smachen, di si mir habent erczaigt, und habent mich wein ffahen, und sind vil poser dan Unger oder Pehem gegen ir her Schaft .. . Wenn diese Vorfälle mangels anderer Anhaltspunkte seinerzeit in der Ausgabe des Memorandenbuches auf die ganz ähnliche Lage im Herbste 1451 gedeutet wurden, so ist jetzt klar, daß sie zehn Jahre früher, im Sommer 1441, geschehen sind. Wenn an diesem zeitlichen Ansätze noch ein Zweifel bleiben könnte, so beseitigt ihn die Bemerkung über die vermittelnde Tätigkeit des Erzbischofs b Siehe Festschrift des Kunsthistorischen Museums II: Die Geschichte der Sammlungen (Wien 1945), S. 50 ff. 2) Joseph Chmel, Geschichte Kaiser Friedrichs IV. und seines Sohnes Maximilian I., 2. Bd. (Ham­burg 1843), S. 115 ff. 3) Über die dem modernen Empfinden als offene Revolution erscheinenden fehderechtlichen Begriffe siehe Otto Brunner, Land und Herrschaft, 3. Auflage (Brünn, München und Wien 1943), besonders S. 19. 4) Chmel, a. a. O. S. 118. 5) Lhotsky, a. a. O. S. 103, n. 18. 35

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