Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

III. Heraldik und Geneologie - 19. Petrus Ortmayr (Seitenstetten): Wie und wann kamen die sächsischen Grafen von Seeburg und Gleiß, die Ahnen des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg, nach Österreich?

314 Ortmayr, Österreich bei der Ableitung des Namens stützen, stellt Gluzo zum slawischen Personennamen Glusa. Glusa weist entweder die deutsche Genetivendung -en auf oder geht auf die Ver­deutschung der slawischen Possessivbildung Glusim», dem Glusa gehörend, zurück, wobei in Gedanken ein Lokalitätswort männlichen Geschlechtes, wie Hof, Grund, vorschwebt *). Ich nehme folgende Entwicklungsreihe an: Dem Gluzengisazi gleicht in seiner Bildung der Ortsname Gossensaß (Siedlung eines Gozzo, Gottfried). Der einzige Unterschied besteht darin, daß bei obigem Beispiel nicht bloß die Endung, sondern der Personenname selbst deutsch ist. Zusammengesetzte Namen wurden häufig gekürzt, da sie für den alltäglichen Verkehr zu lang waren. Nach Abfall des Grundwortes gisazi (Sitz) wäre die zu erwartende Namensform Gluzen (vgl. Groß-Poppen, Bezirk Zwettl, Niederösterreich), die aber urkundlich nicht bezeugt ist. Als älteste Namensform taucht erst gut 100 Jahre später in einer Urkunde, die ungefähr aus dem Jahre 1119/20 stammt, „Gluze“ auf* 2). Die Urkunde enthält einen Tausch zwischen den Bischöfen Heinrich von Freising und Ulrich von Passau, der mit der Gründung des Stiftes St. Georg (heute in Herzogenburg) in engem Zusammenhänge steht. Es erscheint dort als 4. Zeuge Comes Ger de Gluze. Die nächste Erwähnung geschieht in einer Urkunde vom 22. Juni 1154, in der ein Marquardus de Gluze genannt wird 3). Aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts stammen folgende Schreibweisen, die sich sämtlich im Urkundenbuch von Seitenstetten finden: Gluzze (1158), Gliusce (1184), Bluze 4) (1185), Cluze und Gluzce (1186), Gluzze (1210), Gluize und Gluiz nebeneinander (ungefähr 1225), Gleuze (1244). Auch in Passauer Urbaren des 13. Jahr­hunderts finden wir nebeneinander Gleuzze, Gliuzze und Gluzze 5) geschrieben. Für diese Namensformen ist die Endung auf -e bezeichnend; sie erklärt sich m. E. durch Angleichung an die Haus- und Ortsnamen der Umgebung, z. B. Paierberge, Wintperge, Pauzze, Wange, Chalnperge, Celle 6) und andere. Gleichzeitig mit diesen Namen verliert auch Gluze, Gleuze seinen e-Ausgang. Von 1259 bis 1400 sind diese Formen nach dem Ausweis des Seitenstettener Urkundenbuches fast ausschließlich in Gebrauch, u. zw. in verschiedenen Schreibungen, wie sie nur die Laune und Willkür der damaligen Schreiber erfinden konnte: Gleuz, Gluz, Gluiz, Gleus, Gleuzz, Glaeuzz, Glouzz, Glaeuss. So führt eine einfache, geradlinige Ent­wicklung von Gluzengisazi zum heutigen Ortsnamen Gleiß. Der Name Gleiß 7) haftet sowohl an dem Orte am rechten Ybbsufer wie auch an dem einst ansehnlichen Schlosse (jetzt Ruine). Dieses, durch seine Lage auf einem steil abfallenden Felsen, um den man das Wasser der Ybbs leitete, in doppelter Weise geschützt, beherrschte die Straße nach Waidhofen und in das Erzgebiet der Steiermark wie auch einen Übergang (Furt) ins Treffling- und Urltal. Die Besitzungen der Herrschaft Gleiß jenseits der Ybbs q Nach einer Mitteilung des Herrn Universitätsprofessor Ferdinand Liewehr durch gütige Vermittlung des Herrn Dr. Erich Polaschek. 2) Th. Bitterauf, Die Traditionen des Hochstiftes Freising (Quellen und Erörterungen zur bairischen und deutschen Geschichte, NF. V), Nr. 1509, S. 349. — Zum zeitlichen Ansatz vgl. O. Mitis, Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, Heft 1—5, Wien 1912, S. 197—201. 3) UBoE. 2, S. 269, Nr. 179. 4) Wohl nur Schreibfehler statt Gluze. 5) A. Maidhof, Die Passauer Urbare. 1. Bd. Die Urbare des Hochstiftes, Passau 1933, S. 157. 6) Maidhof a. a. O. S. 156, Anmerkung 1393, und S. 384. 7) Über Gleiß vgl. Topographie von Niederösterreich, 3. Bd., S. 456 ff., wo auch das Schrifttum verzeichnet ist. Hier sei nur verwiesen auf M. A. Becker, Der Ötscher und sein Gebiet, II. Teil, Wien 1860, S. 372; Fr. Schweickhardt, Darstellung des Erzherzogtums Österreich unter der Enns, Viertel ober dem Wienerwalde XI, 213—220; A. Sch wetter, Heimatkunde der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Geographisch-statistisches Handbuch mit besonderer Rücksicht auf Kulturgeschichte für Leser jeden Standes, 2. Auflage, Korneuburg 1884, II, S. 110—112, Top. Ill 456 a—458 a; Dehio-Ginhart, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Wien und Niederdonau, 2. Auflage, Wien 1941 s. v. Gleiß; M. Riesen­huber, Die kirchlichen Kunstdenkmäler des Bistums St. Pölten, St. Pölten 1923, S. 321 f. — Abbildungen des Schlosses Gleiß bei G. M. Vischer, Topographia Austriae inferioris 1672, Blatt 73 oben (Faksimile- Ausgabe von Max Vancsa 1920, im Verlag des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich); Matthaeus Merian, Topographia Provinciarum Austriacarum, Frankfurt am Mayn 1649, 1. Tafel nach S, 52.

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