Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)
III. Heraldik und Geneologie - 19. Petrus Ortmayr (Seitenstetten): Wie und wann kamen die sächsischen Grafen von Seeburg und Gleiß, die Ahnen des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg, nach Österreich?
Sächsische Grafen von Seeburg und Gleiß in Österreich. 315 machten einen solchen Übergang notwendig. Auch der heutige Name des Bauernhofes „Gstadthof“ weist darauf hin, daß das der Burg gegenüber hegende Ufer flach war. Wann die erste Burg hier gebaut wurde, wissen wir nicht. In einer Urkunde Gregors IX. vom 30. August 1232 wird unter den passauischen Schlössern und Hofmarken „Gleuz“ genannt *) und etwas später ist von einer „Hofmarchia in Gleuzze“ die Rede * 2). Aber nicht an dem Platze, wo heute altes eingestürztes Gemäuer vom Glanze einer vergangenen Herrlichkeit träumt, nicht an diesem „festen Herrensitze“ des späteren Mittelalters, dürfen wir das Gluzengisazi der ottonischen Zeit suchen. Eher mag der Slave Gluzo dort, wo das jetzige „Maier zu Gleiß“, der einstige Wirtschaftshof des Schlosses, steht, gehaust haben. Und sein Rodungsgebiet erstreckte sich östlich vom großen Gleißerwald, der sich von der Ybbsterrasse an bis zur Höhe des Wallfahrtsortes Sonntagberg (713 m) ausdehnt. Übrigens hat sich auch noch eine Erinnerung an Gluzengisazi in dem Namen eines Bauernhauses und in einem Teil des angrenzenden Gleißerwaldes erhalten. Das zur Rotte Baichberg, Gemeinde Sonntagberg, gehörige Haus heißt heute „Soß“ oder „Untersoß“, vom Volksmunde richtiger „Saß“ genannt, und der Wald führt den Namen „Sasserwald“. Nach Aussage einer ansässigen Person hieß auch das weiter oberhalb am selben Höhenrücken gelegene heute „Eckstein“ genannte Bauernhaus früher „Obersaß“. Daraus geht hervor, daß sich das Rodungsgebiet zu mindest von der Hälfte des genannten Bergrückens über die Talmulde (Saß) beim Gleißerwalde und über Baichberg bis zum heutigen Gleiß an der Ybbs erstreckte. Das Alter des Namens „Saß“ ist durch die Eintragung im Passauer Urbar vom Jahre 1324 (Herrschaft Gleiß) erwiesen: Item de laneo in der Sazz (Nebenform: Sazze) 3). Das war also das Gluzengisazi, „wo der Slawe Gluzo zu wohnen und zu roden begann“. Wenn wir auch noch einigermaßen den Raum, wo er seine Rodungstätigkeit entfaltete, umschreiben können, sagt uns doch die Urkunde nicht eindeutig, wann dies geschah. Es bleibt deshalb dahingestellt, ob uns die Überlieferung mit Gluzo den Namen des ersten slawischen Roders überhaupt erhielt — er müßte dann im 6. Jahrhundert, in der Zeit der Slaweneinwanderung 4), in unseren Alpentälern gelebt haben — oder ob er ein besonders angesehener Slawe der späteren Zeit war, der in dieser Gegend neue Rodungen vornahm. Bei letzterer Annahme würde sich leichter erklären, daß Gluzo und seine Tätigkeit bei der umliegenden Bevölkerung so sehr in lebendiger Erinnerung waren, daß der in der Urkunde genannte Sachso als Besitznachfolger die drei Königshufen ohne weitere Grenzbestimmung unter bloßem Hinweis auf das Rodungsgebiet des Gluzo übernehmen konnte. Jedenfalls ist für die Umgebung von Gleiß Gluzo als erster Siedler und Roder anzunehmen und der Ort ist nach ihm benannt. Das zusammengesetzte Wort Gluzengisazi ist aber eine deutsche Wortbildung. Rein deutsch ist das Grundwort gisazi und der slawische Name Glusa tritt uns mit einer deutschen Endung entgegen. Die Urkunde selbst betont den deutschen Ursprung des Namens durch die Bemerkung: quem vulgari lingua nuncupant Gluzengisazi. Gluzengisazi spricht zweifellos für ein frühes unmittelbares Nebeneinandersitzen von Slawen und Deutschen auch in dieser Gegend, wie es für das Waldviertel der verdiente Landesarchivar Dr. Karl Lechner 5) gezeigt *) SUB. 3, 656; Maidhof, a. a. O. S. 155, Anmerkung 1379. 2) Urk.-Nr. 49 in den Authentica episcopatus Pataviensis vom 3. Juni 1256. Mon. Boica XXIX b, S. 412. 3) Maidhof, a. a. O. S. 576 und Anmerkung 1044. 4) Über die Einwanderung der Slowenen oder Wenden vgl. Max Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs, Gotha 1905, 1. Bd., S. 106 ff.; K. Lechner, Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte des Waldviertels, im 7. Bande des von E. Stepan hgg. Werkes, Das Waldviertel, Wien 1937, 2. Buch, S. 14; í. X. Zahnbrecher, Die Kolonisationstätigkeit des Hochstiftes Freising in den Ostalpenländern, in M. Deutinger, Beiträge zur Geschichte, Topographie und Statistik des Erzbistums München und Freising. 10. Bd., NF. 4 Bde., Münster 1907, S. 95 ff. 5) K. Lechner, a. a. O. S. 20; Derselbe im Heimatbuch des Bezirkes Horn, Horn 1933, S. 248 f.