Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

III. Heraldik und Geneologie - 19. Petrus Ortmayr (Seitenstetten): Wie und wann kamen die sächsischen Grafen von Seeburg und Gleiß, die Ahnen des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg, nach Österreich?

Sächsische Grafen von Seeburg und Gleiß in Österreich. 313 Signum domni Ottonis (MF.) gloriosissimi regis. Hildibaldus episcopus et cancellarius vice Uuilligisi archiepiscopi recognovi. Data XVII. Kal. iulii anno dominicae incarnationis DCCCCXCIII, indictione VI, anno autem tertii Ottonis regnantis decimo; actum in civitate Nordhuson; feliciter amen. Die Urkunde, die dem für Schenkungsurkunden feststehenden Schema *) folgt, versetzt uns in die Zeit der Ottonischen Besiedlung der Ostmark. Wie diese vor sich ging, wird uns in einem charakteristischen Einzelfall mit seltener Deutlichkeit vor Augen gestellt. Das eroberte Land ist Königsland. Otto III. schenkt von seinem Eigengut einem Sachso an dem Orte, wo der Slawe Gluzo zu hausen und zu roden begonnen hat, zu deutsch Gluzengisazi (Gluzensiedlung) genannt, drei königliche Hufen mit allem Zubehör. Das ist im wesentlichen der Inhalt der Urkunde. Wo liegt nun Gluzengisazi ? Schon in der Topographie von Niederösterreich 2) wird dieser Ort mit Gleiß, einem Dorf am rechten Ybbsufer, gleichgesetzt. Zwei Gründe sprechen dafür, daß diese Gleichung das Richtige trifft: Erstens die Ableitung des heutigen Ortsnamens Gleiß von dem slawischen Personennamen Gluzo und zweitens die bisher unbeachtete Tat­sache, daß sich in der Umgebung von Gleiß auf einstmaligem Rodungsboden auch das Grundwort gisazi bis heute noch im Namen eines Bauernhofes „Soß“ lebendig erhalten hat. Die ältere Deutung bringt den Namen Gleiß mit dem lateinischen Wort Clusa in Ver­bindung. Sie findet sich in dem genealogischen Werke des Benediktiners von Seitenstetten Josef Schaukegl 3), der sich mit den Billungern im allgemeinen und mit der Abstammung des Kaisers Lothar III. und des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg im besonderen befaßt. Seine Annahme lautet: ,,Gluzze, Gleuze idem est ac clusa“ 4). Er beruft sich dabei auf den Namen des Bergortes ad S. Georgium in clusa (St. Georgen in der Klaus), der dem Sonntagberg gegenüber am linken Ufer der Ybbs liegt. Die an dieser Ybbsenge gelegene Burg sei wegen der Sperre der Straßen (clausura viarum), die in das steiermärkische Erzgebiet führen, so benannt worden. Von Schaukegl übernimmt diese Namensableitung. T. E. R. von Koch-Sternfeld 5), der in der Übersetzung der im Jahre 1186 von Papst Urban III. erteilten Bestätigungsurkunde über die Schenkungen Wichmanns von Magdeburg und anderer Wohl­täter an Seitenstetten6) „die Capellen an der Klause (capellas ad Clusam et Waidhoven)“ ebenfalls durch „Gleuss“ näher bestimmen will. Mit dieser Kapelle ist aber unzweifelhaft St. Georgen in der Klause gemeint. Denn die Bezeichnung in clusa bei diesem Ortsnamen hat nach eigener Beobachtung und nach dem Urteile von Ortskundigen mit dem Ybbstale gar nichts zu schaffen. Überhaupt entsteht aus lateinisch clusa Klause (vgl. die bekannte Veroneser Klause) und nicht Gleiß. Gegenüber dieser älteren Auffassung verdient die Ableitung von einem Personen­namen entschieden den Vorzug. Schon der Slawist Miklosich 7), auf den sich auch Kämmel 8) und der Verfasser des oben erwähnten Artikels „Gleiß“ in der Topographie von Nieder­x) Über die in Schenkungsurkunden Ottos III. gebräuchliche Formel vgl. P. Kehr, Die Urkunden Ottos III., Innsbruck 1890, S. 170. a) 3. Bd., S. 456 s. v. Gleiß. 3) Jos. Schaukegl, Spicilegium Historico-genealogico-diplomaticum ex antiquissimo et florentissimo quondam agro Billungano, quo praeter alia plura vera et genuina origo Lothari III. imp. necnon Wichmanni Archi-episcopi Magdeburgensis incolatus et Patriotismus Austriacus manifestatur. Styrae 1795. 4) A. a. O. p. 190 not. 481. 8) Forschungen über den Erzbischof Wichmann von Magdeburg und die Abtei Seitenstetten. Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen, I. B., Heft IV, S. 83—120. 9) J. Raab, Urkundenbuch des Benediktinerstiftes Seitenstetten (Font. Rer. Austr. 33), Wien 1870, Nr. 12, S. 16 ff.; Spicilegium Nr. 14, S. 328 ff. 7) F. Miklosich, Die Bildung der Ortsnamen aus Personennamen im Slawischen (Denkschrift der Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, XIV [1864], S. 25, Nr. 68, gluchx Manul­druck, Winter Heidelberg 1927, S. 141, Nr. 68). 8) O. Kämmel, Die Anfänge des deutschen Lebens in Niederösterreich während des 9. Jahrhunderts, Osterprogr. des Königlichen Gymnasiums zu Dresden-Neustadt, Dresden 1877, S. 14, Anmerkung 8.

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