Evangélikus Elemi Iskola, Budapest, 1885
10 ludern also das Turnen die einzelnen Teile des Körpers stärkt, und die einzelnen Muskeln widerstandsfähiger macht, befördert es auch die Verdauung, erhöht den Appetit und schützt deshalb den Körper vor Blutarmut, Schwindel und Nervosität. Das Turnen erweitert den Brustkorb, erleichtert das Atmen und erhöht die Zirkulation des Blutes. Und indem es die Muskeln stärkt, schützt es das Kind vor der durch zu vieles Sitzen so oft hervorgerufenen Rückgrats Verkrümmung. Dass dies nicht leere Worte sind, bezeugen Alle, die die Regeln der Gesundheitslehre kennen und daher wissen, was die einzelnen Teile unseres Körpers zu verrichten haben und wie diese Verrichtungen vor sich gehen müssen. Bezwinge daher jeder seine Vorurteile oder seinen Widerwillen gegen das Turnen, und raube niemand seinen Kindern den wohltätigen Einfluss desselben ! Das Schicksal der Knaben ist in dieser Beziehung freilich freundlicher, denn einesteils hat die Gesetzgebung das Turnen in den Lehrplan aufgenommen, andererseits erlauben auch die engherzigen und furchtsameren Eltern das Turnen eher den Knaben als den Mädchen. Und doch ist das Turnen den Mädchen noch notwendiger als den Knaben! — Der Beruf der Frau ist schwer, ja oft lebensgefährlich, und dass ein gesunder, kräftiger, gut entwickelter Körper mehr aushält als ein verweichlichter, versteht sich von selbst. Aber nicht nur für die Mütter ist ein abgehärteter Körper von Vorteil, sondern auch für das Kind, und so hängt von diesem das geistige und leibliche Wohl des Einzelnen wie des gesammten Volkes ab. Der erste Ratgeber der Eltern hinsichtlich der körperlichen Bildung der Kinder sei der Arzt und deshalb erlaube ich mir hier die Ansicht des schon erwähnten Dr. Erismann über das Mädchen-Turnen mitzuteilen: »Selbstverständlich dürfen die Mädchen von solchen Leibesübungen nicht ausgeschlossen sein: es wird ihrer Weiblichkeit kein Eintrag geschehen, wenn man sie gesünder und kräftiger macht, und man sollte es aufgeben, durch einen falsch verstandenen Schicklichkeitsbegriff noch länger an ihnen und an den zukünftigen Generationen zu sündigen. — Durch richtig geleitete und regelmässig wiederholte Leibesübungen, im Vereine mit guten Schuleinrichtungen und einer Reform des Unterrichts im oben angedeuteten Sinne, könnte jene harmonische Entwickelung des Körpers und des Geistes bei unserer Schuljugend erreicht werden, deren Mangel wir gegenwärtig so bitter zu beklagen haben und die allein den ganzen Menschen ausmacht.“