Evangélikus Elemi Iskola, Budapest, 1885

11 Unsere Schulanstalt ist vielleicht die pinzige Elementarschule in der Hauptstadt, an welcher das Turnen auch für die Mädchen als obligater Lehrgegenstand eingeführt ist. Die Mädchen turnen bei uns von der dritten Klasse aufwärts wöchentlich in zwei Stun­den. Das ist wohl etwas; aber nach ärztlichem Gutachten noch lange nicht genügend. Nach Dr. Erismann sollte man jeden Tag wenigstens eine halbe Stunde lang mit den Kindern regelmässige Leibesübungen machen, was aber bis jetzt, die hauptstädtischen Schulgebäude in Anbetracht gezogen, unausführbar ist. Wenn nun die Mädchen auch nicht jeden Tag turnen kön­nen, sollten sie die Eltern wenigstens von dem wöchentlich zwei­maligen Turnen schon gar nicht zurückhalten. Leider aber ist dies oft genug der Fall. Da nämlich die Mädchen auf Grand eines ärztlichen Zeugnisses von diesem obligaten Lehrgegen- stande dispensirt werden können, so erwirken sich gar Viele ein solches, damit sich das Kind beim Turnen nicht — etwa ver­kühle. In solchen Fällen hat dann der Herr Hausarzt mit seinem Gewissen zu rechnen; womit wir aber durchaus nicht gesagt ha­ben wollen, dass überhaupt kein Kind vom Turnen befreit wer­den dürfte. Im Gegentheile: es sollte jedes Kind vom Arzte untersucht werden, bevor es zum Turnen zugelassen wird, und — entdeckt er einen organischen Fehler, so muss dem Kinde das Schul-Turnen verboten und dasselbe der Heilgymnastik zu­geführt werden, die zu besprechen, aber nicht unsere Aufgabe sein kann. Wir wollten durch die vorstehenden Zeilen nur die Aufmerk­samkeit der geehrten Eltern auf die Wichtigkeit des Turnens, insbesondere das der Mädchen lenken, ihnen das Turnenlassen ihrer Kinder ans Herz legen, und sind hinlänglich befriedigt, wenn es uns gelungen sein sollte, zur Verallgemeinerung dieses Unterrichtsgegenstandes unser Scherflein beigetragen zu haben. Ludwig Scholtz. a*

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