Evangélikus Elemi Iskola, Budapest, 1885
9 schönste Zierde der Jugend, die Merkmale der Gesundheit, die Rosen von den Wangen! Die Frauen ersetzen dann oft diesen Mangel durch künstliche Farben, bringen aber auf diese Weise in jeder Hinsicht das Gegentheil von dem hervor, wonach sie strebten. Es gibt nur ein Mittel, durch welches auch die Frau recht lange die Jugendfrische und Schönheit ihres Körpers erhalten kann, und dies ist das Turnen, welches schon in der Kindheit erlernt, aber auch nach dem Austritt aus der Schule fortgeübt werden sollte. Das Turnen erhöht auch die Leistungsfähigkeit des Gehirns; dieses weist den einzelnen Theilen des Körpers die Arbeit an, und die Arbeit wird umso flotter und prompter von statten gehen, je stärker und geübter die einzelnen Theile sind. Gewohnheit wird zur zweiten Natur; desslialb wollen wir unseren Kindern nebst anderen Tugenden auch Folgsamkeit und Pünktlichkeit «ngewöhnen. Die Angewöhnung dieser beiden Eigenschaften aber befördert das Turnen ebenfalls, besonders die Freiübungen, welche bei dem Kinderturnen überhaupt und bei dem Mädchenturnen insbesondere am wichtigsten sind. Bei diesen Uebungen werden die einzelnen Bewegungen auf Kommando des Turnlehrers ausgeführt; jeder Turner muss die von dem Lehrer kommandirte Bewegung ausführen; es ist aber nicht genug, dass die Bewegung ausgeführt werde, sie muss dann und so ausgeführt werden, wie und wann sie kommandirt wurde. Von wohltätigem Einfluss ist das Turnen auch zur Erhöhung der Charakterfestigkeit und der Willenskraft, als auch zur Ausbildung des Mutes. Indem der Turnunterricht von Stufe zu Stufe vorwärts schreitet, folgen immer schwerere und kompli- cirtere Uebungen, bei deren Ausführung schon ein gewisser Grad von Mut nötig ist. Indem der Turner von den leichten zu den schwereren Uebungen vorwärts schreitet, lernt er seine eigene Körperkraft immer besser kennen, und je besser ihm eine Uebung gelingt, desto mehr vertraut er seiner Kraft, was wesentlich seinen Mut erhöht. Dieses Vertrauen auf seine eigene Kraft — vorausgesetzt, dass es nicht eitler Prahlsucht entspringt — ist aber vom besten Einflüsse auf die Entwickelung des Charakters. Ausserdem entwickelt das Turnen auch das ästhetische Gefühl, denn alle Uebungen, besonders die des Freiturnens, machen den Körper geschmeidig und verleihen ihm dadurch eine gefällige Haltung. 9