Evangélikus Elemi Iskola, Budapest, 1882
und wenn irgendwo die Unzulänglichkeit, des berechnenden und folgernden Verstandes und die Macht der unmittelbaren Anschauung zugegeben werden muss, so ist dies sicher der Fall bei dem Erkennen der menschlichen Individualität und bei der Behandlung derselben nach ihrem Wesen, ihren Schwächen. Bedürfnissen und Gefühlen. Dieser natürlichen Anlage und Gabe bedarf aber jeder, der Menschen erziehen und weisen will, und eben die Mütter sind es, die beinahe ohne Ausnahme von Natur aus damit gesegnet sind. Trotzdem erachten wir es nicht für überflüssig, diesen Erziehern von Natur aus. den Müttern, jene Prinzipien und Ri geln ans Herz zu legen, die ihnen zur Richtschnur dienen müssen, wenn sie ihre Kinder zu Charaktere erziehen wollen. E i n e d e r erste n u n d h a u p t s ä c h 1 i c h s t e n Grundsätze der Kinderzucht fordert, dass das Kind schon frühzeitig an alles G u t e g e w ö h n t w erde und unbedingt gehorchen lerne. Gehorsam ist der Keim der Zucht, und die Gewohnheit des Menschen Amme!“ Wie man ein Bäumchen durch Anbinden an einen Stab zum geraden Wachsen gewöhnt, so muss das Kind auch schon lange bevor Wohlwollen, Friedfertigkeit. Religiosität, üben, ehe es über sich selbst urtheilen kann, ehe es überhaupt die Tugend zu erfassen und den Werth dieser Güter zu schätzen vermag. Das Kind, dem noch die eigentliche Beurtheilungskraft mangelt, darf überhaupt keinen freien Willen haben; der Wille seiner Mutter, seines Erziehers sei ihm das lebendige Gesetzbuch. Für das Kind existire eigentlich nur eine Tugend: die Gehorsamkeit, und eine Untugend: die Ungehorsamkeit. Wollen wir aber, dass unsere Kinder gerne und freudig gehorchen sollen, — denn in der Erziehung kann nur von einem freudigen Gehorsam die, Rede sein, — dann müssen wir auch recht befehlen können. Recht zu befehlen ist jedoch schwerer als gehorchen. Nie befehle oder verbiete man etwas unbedachtsamer Weise oder ohne Grund und auch nie mehr als unbedingt nötliig, sondern stets bestimmt, bündig und kurz! Es gibt genug schwache Mutter, die in einer kurzen Viertelstunde hunderterlei Unnützes und Unwesentliches von dem Kinde fordern, ihm Hunderterlei untersagen, aber weder auf die Ausführung des Geforderten, noch der Unterlassung des Untersagten bestehen, ja sogar das, was sie dem bittenden Kinde versagten, dem Zetter-Mordio schreiendem gewähren. Unzähligemal können wir auf unseren Promenaden sehen, wie sich 3—4jährige Kinder zur Erde werfen, mit den Händen herumschlagen, den Füssen stram— 4 —