Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1872

22 lautet: „Siegel der Hermannstädter Provinz. Zur Erhaltung der Krone." Die letzten Worte bilden auch die Inschrift der sächsischen Nationalfahne. So ver­lieh der Freibrief den bis jetzt vereinzelten Ansiedlungen, die blos für sich be­stehende Gemeindewesen bildeten und in keinem Verband mit einander standen, durch die Vereinigung Kraft und Stärke. „Das gesammte Volk soll Ein Volk sein," (unus sit populus) sagt der Freibrief. In diesen Worten liegt für die Sachsen die Aufforderung, dafür zu sorgen, daß kein Zweig von ihrem Stamme abgerissen werde und verloren gehe; die Worte rufen ihnen aber zugleich die ernste Mahnung zu: seid einig, damit durch brüderliche Eintracht der Sinn für das Gemeinwohl erstarke und dadurch das Gedeihen des ganzen Sachsen­volkes gefördert werde! Nicht der vergängliche Vortheil des eigenen Hauses und Standes, sondern das Gesammtwohl, nicht das Ansehen des Einzelnen, sondern die Wohlfahrt des Ganzen möge der Sachsen Wahlspruch sein, damit nicht Eigennutz«nd Zwietracht sie schwäche, sondern Gemeinsinn und Eintracht sie stark mache und das Wort des Freibriefes stets wahr bleibe: „Das ge­sammte Volk soll Ein Volk sein." Eingemeinschaftliches OberhauptderGrafder sächsischen Nation bewahrte durch gemeinsame Verwaltung und Rechts­pflege, durch die Leitung und Führung des Kriegswesens die Einheit des Ganzen und schützte vor der Gewalt des Woiwoden. Er war der Stellvertreter des Königs auf dem Sachsenboden, der später auch Königsboden genannt wurde, weil nur der König im Namen des Gesetzes da gebot. Ernstlich verordnete Andreas in seinem Freibrief: „Wir befehlen, daß Niemand ihr oberster Richter sei, außer wir, oder der Hermannstädter Gras, den wir ihnen an seinem Ort und zu seiner Zeit setzen werden." So war der Graf der sächsischen Nation, wie in allen von Deutschen gegründeten Ver­süßungen, zugleich Richter und Anführer der Kriegsmacht. Die Obergewalt jener Obrigkeiten, denen die einzelnen Theile der siebenbürgisch-deutschen Co- lonien bisher, ohne wesentliche Verbindung untereinander, unterworfen waren, hörte auf und schmolz in seiner Amtsgewalt zusammen. Er war Oberrichter im Frieden und Anführer im Krieg. Das bewiesen auch die Zeichen seiner Würde: die Fahne, der Streitkolben und das Schwert. Im Kriege befehligte er unter dem Nationalbanner die Schaar der Sachsen, im Frieden führte er das Schwert der Gerechtigkeit und hatte Gewalt über Leben und Tod. Nur diejenigen Streitsachen, die vor ihm nicht entschieden werden konnten, schlichtete unmittelbar der König. So hatte weder der Woiwode, der Stellvertreter des Kömgs im Lande, noch der Palatin, der zweite Gebieter im Reiche, Gewalt über die Sachsen. „Niemand soll ihr oberster Richter sein, außer wir oder der Hermannstädter Graf," so sprach des Königs Freibrief. Die eigene Gerichtsbarkeit wahrte daS alte, deutsche Recht der Sachsen, ihre Sitten und Gebräuche, ihr Deutsch- thnm. Das Andreanum verlieh den Sachsen das Recht der freien Wahl ihrer

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