Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1863

29 Die letzte und äußerste Consequenz der ganzen damaligen Entwickelung des Zunftwesens in den deutschen Städten unseres Landes mußte aber das Bestr-chen bilden, alle diejenigen Bestim­mungen und Anordnungen über Gewerbswesen, welche eine freiere und selbstständigere Bewegung der gewerbetreibenden Einzelperson zu Gunsten der Korporation hemmten, im ganzen Lande zu gleich­mäßiger Geltung zu bringen, um dadurch, wie in den einzelnen Städten das Individuum in der Zunft, so in dem Lande die Einzelzunft in der Landeszunft aufgehen und verschwinden zu machen. Und so ist es denn ganz natürlich, daß wir in dieser Periode der regeren Zunftgesetzgebung auch bereits das Institut der Landeszunft . am Leben erblicken. Dieselbe war jedoch kein festes Glied des mu» nicipalen Organismus, auch war sie nicht durch die öffentliche Ge­setzgebung begründet, sondern entstand und beruhte einfach nur auf der bindenden Kraft gemeinsamer Zntressen. Abgeordnete der ein­zelnen Zünfte kamen gelegentlich in Hermannstadt oder auch an andern Orten, besonders bei Gelegenheit der Jahrmärkte, zusammen besprachen sich über ihre ^gemeinsamen Angelegenheiten, setzten An­ordnungen fest, die entweder nur durch das moralische Gewicht der beschließenden Zunftvertreter zur Geltung gelangten, oder wenn es nicht anders ging, nach vorhergegangener Zustimmung der Behörde, durch den Arm derselben durchgeführt wurden. Die Kosten, welche durch gemeinsame Prozesse oder durch Deputationen u. s. tu. ent­standen, wurden von allen sich anschließenden Zünften getragen; Vergehen einzelner Zünfte gegen die allgemeinen Beschlüsse von der Landeszunft mit Geldstrafen oder Ausschließung belegt. Das lei­tende Haupt war stets die betreffende Zunft in Hermannstadt. Als erste Keime dieser auf freiem Uebereinkommen beruhenden Organi­sation können wir es ansehen, wenn die Kürschnerzunft in Her­mannstadt in ihrem und aller übrigen Kürschnerzünfte Namen im Jahre 1466 von König Matthias das alleinige Vorrecht des Han­dels mit Wildhäuten erbittet, oder wenn die Hermannstädter Schu­sterzunft im Jahr 1500 ihre Zunftsatzungen allen Schusterzünften mittheilt und allgemeine Annahme derselben empfiehlt. Gesetzge­berische Akte einer Landeszunft finden wir aber zuerst im Jahre 1505. In demselben hielten nämlich die Abgeordneten der Kürsch­ner aus dem Sachsenlande in Mediasch eine Versammlung, deren

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