Evangelischen gymnasiums, Bistritz, 1863

6 delnden Born Sophokleischer Chorlieder entgegen! Ich habe daher einen Versuch anderer Art gemacht und zwar zunächst nur mit den Chorge­sängen der Antigone, die jedenfalls ein starkes Drittel des ganzen Dra­mas ausmachen. Unabhängig von dem Versmaße des Urtextes, das ein für alle Mal mit dem deutschen Sprachgeiste sich nicht verträgt, habe ich dieselben nach deutschem Vers- und Strophenbaue und nach deutscher Reimweise unter möglichster Festhaltung des Textes und seines Sinnes zu übertragen gesucht. Wiewohl ich nun selbst das Gewagte eines Schrittes fühle, wo man zuerst mit einer Art dichterischer Leistung an die Oeffentlichkeit tritt, so glaube ich denn doch in der festen lieber- zeugung, daß nur auf diesem Wege die klassischeu Dichterwcrke tcs alten hochgebildeten Griechenvolkes eine größere Verbreitung unter den Gebilde­ten unserer für alles Schöne, Wahre und Gute empfänglichen Nation fin­den, und daß nur so die überaus erhabenen und vollendeten Tragödien eines Sophokles, wenn sie wie z. B. schon öfter in Berlin zur Bühnen­darstellung gelangen, eines größeren Beifalls sich erfreuen können, diesen ersten Versuch — denn ein anderer der Art ist mir wenigstens nicht zu Ge- sichte gekommen — dem verehrten Leserkreise unserer Schulprogramme nicht vorenthalten zu dürfen. Mögen Andere Besseres liefern!— Eine lieber- setzung des Dialoges der Antigone, welche ich, wenn mir mehr Muße ver­gönnt worden wäre, ebenfalls gerne und zwar in dem unserer deutschen Tragikern gewöhnlichen Bersmaße—in jambischen Fünffüßler— geliefert hätte, schien es mir übrigens weniger zu bedürfen, da die vorhandenen Uebersetzungen von Donner, Minkwitz u. s. w. durch ihren Anschluß an den jambischen Sechsfüßler des Originals auch so dem deutschen Vers­maße mehr oder weniger angemessen erscheinen dürften. Aus demselben Grunde habe ich das anapästische Versmaß der Urschrift in den gemischten Chorliedern unter veränderten Verhältnißen beibehalten. Um nun aber doch die hier übersetzten Chorlieder in ihrem organi­schen Zusammenhänge mit dem Dialog darzustellen und so wenigstens ei­ne allgemeine Uebersicht des ganzen Dramas zu gewinnen, hielt ich eS nicht für unangemessen, den Entwicklungsgang desselben wenn auch nur in gedrängtem Umrisse anzudeuten.

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